Der Friseur und die Kanzlerin
mir nicht nennen – man hatte es ihr weder gesagt, noch hatte sie nachfragen wollen. Ihrer Meinung nach hatte der Verhaftete ohne die vorgeschriebene Genehmigung als lebende Statue in einer Hochsicherheitszone gestanden. Ich hängte auf und ging in den Speiseraum zurück, wo Señor Armengol mit seiner gastronomischen Ethik prahlte.
«Hier kein Geflenne und kein Geschwuchtel. In meinem Restaurant nur harte Typen, Teufel noch mal.»
«Du Dr. Schwuchtel? Jawohl!»
Da keiner der beiden verstand, was der andere sagte, kümmerte sich jeder nur um sich selbst, und so festigte sich eine schöne Freundschaft, die jedoch nicht über die Embryonalphase hinauskam, da in diesem Augenblick ganz aufgeregt der Swami hereinstürzte.
«Habt ihr Radio gehört?», fragte er atemlos.
«Nein, was ist denn?», sagten alle Anwesenden zugleich.
«Etwas Schreckliches. Schrecklich und wirr. Das Autoradio hat keinen guten Empfang. Ich glaube, es kommt in TV 3.»
Im Restaurant gab es einen alten Apparat, der vor sechs Jahren nach einer Sportsendung den Geist aufgegeben hatte, als wegen einer Schiedsrichterentscheidung ein Streit ausgebrochen war und einer der beiden gerade anwesenden Gäste mit dem Kopf des anderen auf den Bildschirm eingedroschen hatte. Und das Radio hatte keine Batterien. Angela Merkel war begeistert. Die Wiederbegegnung mit dem vermeintlichen Manolito und der DDR -Technologie versetzten sie in ihre Jugend zurück. Sie habe immer ein iPhone, ein iPad und ein Blackberry bei sich, sagte sie, doch all diese Geräte seien bei ihren Begleitern geblieben, als sie sich auf dem Flughafen entschlossen habe, mit mir zu fliehen. Angesichts all dessen suchten wir eine Kneipe in der Nähe auf, wo wir die Live-Reportage der Sonderberichterstatterin vom Tatort sehen konnten.
Schmerz und Empörung hatte in der ganzen Stadt das grauenhafte Attentat ausgelöst, das ein international gesuchter Terrorist begangen hatte, welcher im Moment seiner Festnahme Alí Aarón Pilila zu heißen angab, sich als Urheber des Kanzlerinnenmordes bekannte und gegen den Kapitalismus und Mohammed vom Leder zog. Die Tat war kurz zuvor geschehen, als sich Angela Merkel in Begleitung des Hochwohllöblichen Herrn Bürgermeisters von Barcelona anschickte, auf dem Balkon des Rathauses eine Rede zu halten vor einer reichbeschickten Delegation der deutschen Kolonie in Katalonien, die zuvor zu ihrem Empfang auf den Flughafen gekommen war und sie dann in mehreren Bussen vor den Eingang des Rathauses begleitet hatte, wobei sie unaufhörlich gesungen und die ehrwürdige Kanzlerin und große Steuerfrau der Bundesrepublik Deutschland hatte hochleben lassen. Genau in diesem Augenblick schoss von der hoch gelegenen Terrasse eines nahe gelegenen Hotels aus ein Verbrecher, ungeachtet der Empörung, die seine Tat auslösen würde, mit einer Bazooka auf den erwähnten Balkon, so dass sich dieser vom Gebäude löste und mit allen, die sich darauf befanden, auf den Platz herunterkrachte, zum Entsetzen und der Empörung der genannten hier versammelten Menge, die sich sogleich auflöste. Im Moment des Attentats erwähnte Frau Merkel eben ihre starke gefühlsmäßige Bindung an Barcelona und ihre persönliche Freundschaft mit dem Erzbischof von Tudela. Die Leichen waren ins Klinikum gebracht worden, wohin in ebendiesem Augenblick ein zweiter Übertragungswagen von TV 3 unterwegs war, um live über die weitere Entwicklung der Ereignisse berichten zu können.
Dann kam eine Werbepause, und ich war am Boden zerstört. Die Niederlage hätte verheerender nicht sein können. Und auch wenn man mir unter rein moralischem Gesichtspunkt keine Schuld zuschieben konnte, da ich ja schwerlich hatte voraussehen können, dass unsere sonst so scharfsinnigen obersten Behörden meine prahlerische Schwester für jene illustre Dame halten würden, die, nebenbei gesagt, unversehrt neben mir an der Theke stand, nichts ahnend eine Blätterteigschnecke futternd, so hatte mein Plan doch in der Praxis Cándida ein trauriges, vorzeitiges Ende beschert und Romulus den Schönen nicht von seinen Verantwortlichkeiten entlastet.
Doch es war zu spät zum Wehklagen. Ich bat den Swami, den Wagen zu holen, damit wir unverzüglich ins Klinikum fahren könnten, was er angesichts meines jämmerlichen Zustands hurtig und ohne zu murren tat. Wir bezahlten Señor Armengol die Zeche und machten uns auf. Unterwegs zum Krankenhaus ließ ich den Swami vor einem Blumenladen halten, lieh mir sechs Euro von ihm und kaufte einen
Weitere Kostenlose Bücher