Der Frühling - Hyddenworld ; 1
jenem Zustand, in dem die Natur ihn erschaffen hatte.
Im selben Augenblick hörte er seine Freunde seinen Namen rufen, und Brif und Pike klangen, als wären sie böse auf ihn.
Dies und der Wunsch, nicht nackt entdeckt zu werden, bewogen ihn dazu, die Flucht zu ergreifen und so leise wie möglich in die entgegengesetzte Richtung zu schwimmen. Diese Angelegenheit, so hoffte er, ließ sich auch am Morgen in Ordnung bringen. Zudem hatte er den Wind auf seiner Seite und, wie es schien, auch die Strömung, denn er spürte, wie es ihn forttrug, ohne dass er sich sonderlich anstrengen musste.
Gleichwohl wurde offenbar, dass er dem Ufer nur langsam näher kam. Gleichzeitig entdeckte er direkt unter sich einen leuchtenden Schatten. Er steckte den Kopf unter Wasser und erkannte deutlich die Umrisse eines Fisches. Doch es war nicht der, den er zuvor gesehen hatte, denn der war im Vergleich winzig gewesen. Dieser hier war sein Vater oder sein Großvater, und er sah gewaltig und furchterregend aus.
Mit einem Mal packten die Zähne des neuen Raubfischs seine rechte Wade. Er stieß einen furchtbaren Schrei aus und versuchte, das Bein wegzuziehen. Doch der Fisch grub seine Zähne noch tiefer hinein, und Stort fühlte, wie er unter Wasser gezogen wurde. Vernunft, Logik und sogar Neugier wichen nun wieder blinder Panik.
Er fasste nach unten, um sich von dem Fisch loszureißen, spürte aber nur einen dicken, mit Wasser vollgesogenen Baumstamm. Das, was er für Zähne gehalten hatte, waren nur Äste und Zweige.
Seltsamerweise stellte sich prompt eine neue und noch schlimmere Panik ein. Er fürchtete, ein richtiges Monster der Tiefe könnte, gestört durch den Lärm, träge aus der Dunkelheit heraufsteigen und ihn mit Haut und Haaren verschlingen.
Er stieß sich mit dem Fuß von dem Baumstamm ab und peitschte mit kreisenden Armen das Wasser, bis seine Knie, dann seine Hände und schließlich auch seine Brust Schlamm und Steine berührten. Obwohl die Steine spitz waren, kroch er an Land, ein bibbernder und bemitleidenswerter Schatten des Hydden, der er noch vor ein oder zwei Stunden gewesen war.
Da lag er nun, gestrandet wie ein verendender Wal, nach Luft japsend und völlig entkräftet.
56
DIE ERLEUCHTUNG
A ls Stort endlich wieder das volle Bewusstsein erlangte, hoffte er, alles sei nur ein böser Traum gewesen und er würde sich irgendwo wiederfinden, wo es behaglich, trocken und warm war. Zu seinem Bedauern erkannte er sofort die rauhe Wirklichkeit seiner Lage. Er fror, wusste nicht, wo er war, und fühlte sich sehr einsam.
Er stand mühsam auf und rief über den dunklen, im Licht des aufgehenden Mondes kalt glitzernden See: »Hilfe! Ich … ich … bin … hiiiier!
Hilfe!«
Niemand hörte ihn, und so kam keine Antwort.
Er wusste, dass er sich bewegen und so schnell wie möglich etwas Warmes zum Anziehen und einen Unterschlupf finden musste, und so beschloss er, am Ufer entlangzugehen. Die Steine unter seinen Füßen waren kantig, und der Schlamm schmatzte zwischen seinen Zehen und ringelte sich wie kalte Würmer.
Durch die Bewegung bekam er wieder ein Gefühl in den Gliedmaßen und im Oberkörper, und mit ihm stellte sich ein gesteigertes Empfinden für die schneidende Kälte ein. Doch Stort war ein Hydden, der dank seiner angeborenen Neugier für alles, was ihn umgab, und seines lebhaften Interesses an herausfordernden neuen Ideen nie lange Trübsal blies oder sich von persönlichem Ungemach entmutigen ließ.
So kam ihm, als er nackt durch die Dunkelheit streifte, der Gedanke, dass sich seine Hemdhose unmöglich selbsttätig von seinem Körper abgestreift haben konnte. Eine unsinnige und doch so faszinierende Vorstellung, dass er einen Augenblick stehen blieb und sich für den Fall, dass er die Nacht überlebte, vornahm, eine mechanische Hemdhose zu entwerfen, die in der Lage war, sich dem Besitzer selbst auszuziehen, dann zu waschen, zu bügeln, zusammenzulegen und wegzuräumen, bis sie wieder gebraucht wurde.
Dann aber, als er feststellte, dass seine Schenkel zitterten und seine Zähne klapperten, murmelte er: »K-keine von meinen besseren Ideen«, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die rätselhafte Frage, wo die Hemdhose jetzt wohl sein mochte.
Er wusste mit Bestimmtheit, dass er sie nicht ausgezogen hatte, und er bezweifelte auch, dass die Fische der Tiefe es getan hatten.
Also ging er denselben Weg zurück und suchte das Ufer nach dem verlorenen Kleidungsstück ab. Es musste in der Nähe sein! Zum
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