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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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an, mit Hilfe der natürlichen Energien eines Henges eine Verschiebung in der relativen Wahrnehmung herbeizuführen. Doch ob er diese Einsicht im Licht des neuen Tages wiedererlangen würde, stand auf einem anderen Blatt. Seine Arbeit für heute Nacht war getan, und so schlief er ein.
     
    Als der Tag anbrach und Nebelschwaden aufzogen und über den See trieben, kam der Schimmel am Ufer entlanggetrappelt. Seine Reiterin schaute auf Bedwyn Stort herab und schmunzelte.
    Ausnahmsweise einmal war Imbolc nicht verkleidet. Sie war jetzt sehr alt, und selbst das milde Dämmerlicht ließ sie nicht jünger erscheinen. Eher noch älter.
    Das Pferd ging in die Knie, damit sie leichter absteigen konnte. Das Gehen fiel ihr schwer, und so erhob sich das Pferd sogleich wieder und trottete neben ihr her, damit sie sich an seinen Zügeln festhalten konnte. Ihre Füße waren geschwollen und ihre Finger verkrümmt. Ihre Zähne waren fast alle ausgefallen, ihr Haar schütter, ihr Gesicht runzlig und ausgezehrt.
    Doch als sie Stort zusammengekauert daliegen sah, die Augen geschlossen,den Mund leicht geöffnet, im Gesicht einen Ausdruck der Zufriedenheit, als habe er ein schwieriges Problem gelöst, da lächelte sie, ihre Züge erhellten sich, und alle Müdigkeit und aller Schmerz waren vorübergehend vergessen.
    Sie küsste ihn so zärtlich, dass er sich regte, als wäre die Liebe selbst zu ihm gekommen, und er murmelte einige Worte, die keinen Sinn ergaben, nur reine Freude ausdrückten.
    Der Schimmel bäumte sich auf und drängte zum Aufbruch. Er ging in die Knie, damit die Friedensweberin leicht wieder auf seinen Rücken steigen konnte. Dann wandten sich Pferd und Reiterin ab, preschten davon und verloren sich im Dunst des Dämmerhimmels.

57
EIN ALBTRAUM
    K atherine hatte, ohne Nahrung, Licht und passende Kleidung, in den Tunneln eine noch schlimmere und einsamere Nacht verbracht als Stort.
    Dass sie verfolgt wurde, war gewiss, und dass es ein Tomter war, wahrscheinlich. Der widerliche Geruch schien das zu bestätigen, ebenso die beängstigte Schnelligkeit und Wendigkeit, die ihr Verfolger bewies, wenn er knurrend um sie herum und an den Wänden hinauf sprang, manchmal so dicht an ihrem Gesicht vorbei, dass sie seinen heißen Atem spürte. Er fand sich im Dunkeln zurecht und spielte mit ihr wie die Katze mit der Maus.
    Dann wurde alles noch unheimlicher.
    Sie konnte sich nur fortbewegen, indem sie die Füße über den Tunnelboden schob und sich mit den Händen an der Wand entlangtastete. Da der Tomter nicht sofort über sie herfiel und eher ruhiger zu werden schien, wenn sie sich bewegte, tat sie dies so gut sie konnte, in der Hoffnung, irgendwann ein Licht zu entdecken und einen Weg ins Freie zu finden.
    Auf diese Weise gelangte sie an eine Stelle im Tunnel, auf die von weit oben der matte Schein einer Straßenlaterne herabfiel. Endlich konnte sie das Tier sehen.
    Es hatte lange, aber sehr kräftige Beine und reichte ihr bis zur Hüfte. Sein Körper war der eines Kampfhundes, ebenso der massige Schädel und die eckige Schnauze. Doch er hatte auch etwas von der ausgeprägten Streitlust eines selbstbewussten Katers. Auch das gemusterte Fell, die Augen und die Pfoten erinnerten an eine Katze.
    Er starrte sie an, und sie ihn, bis ihr wieder einfiel, was Tirrich gesagt hatte. Sogleich schaute sie weg, und der Tomter zog sich ein Stück zurück. Sie bewegte sich sehr vorsichtig, um ihn nicht zu reizen, und obwohl sie nicht wusste, ob der Rat des Bilgenersernst gemeint gewesen war, befolgte sie ihn und summte eine Melodie.
    Das schien ihn tatsächlich zu beruhigen, doch er folgte ihr weiter, bald in größerem, bald in geringerem Abstand, und versperrte ihr den Weg in einige Gänge. Dieses Verhalten beunruhigte sie, denn es hatte ganz den Anschein, als treibe der Tomter sie dorthin, wo er sie haben wollte.
    Doch sosehr sie sich auch bemühte, sie brachte einfach nicht den Mut auf, ihn zur Seite zu stoßen, denn sobald sie ihm zu nahe kam, knurrte er und fletschte die Zähne. Und so fügte sie sich und schlug den von ihm gewünschten Weg ein. Es wurde immer wärmer, und die Luft wurde immer übelriechender.
    Sie bog um eine Ecke und gelangte in einen Raum, in dem gedämpftes Licht herrschte. Offenbar war es seine Höhle, denn überall lagen Knochen und Häute von Tieren. Es stank, und es wimmelte von Ratten und Ungeziefer.
    Aber das war nicht das Schlimmste.
    Den Ehrenplatz in diesem schmutzigen Reich nahm das Weibchen des Tomters ein. Es

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