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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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vertraut, ehe er sich seiner Untersuchung widmete.
    Das Wasser war so ruhig und klar, dass er der Linie des versunkenen Henges ein ganzes Stück auf den See hinaus folgen konnte. Zu seiner Überraschung sah er beim Schwimmen jede Menge ausrangierte Maschinen, mehrere Fahrräder, einen unversehrten Pappkarton, der in seinem wasserdurchtränkten Zustand leicht hin- und herschwankte, und ein paar ziemlich große Fische, die ein kräftigeres Gebiss besaßen, als ihm lieb war.
    Stort hatte eine Abneigung gegen Tiere jedweder Art, insbesondere gegen solche mit Zähnen. Und ihm schien, dass die Fische da unten ihn nicht mit jener freundlichen Wärme beäugten, die einem Mitreisenden in den irdischen Gewässern gebührte, sondern mit den gierigen Blicken von Räubern, die auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit waren.
    Doch sein Forscherdrang war stärker als seine Furcht, und so setzte er die Entdeckungsreise fort. Als das Wasser unter ihm so tief und trüb wurde, dass er nichts mehr erkennen konnte, beschloss er, nach links abzubiegen und die andere Flanke des versunkenen Relikts zu suchen.
    An diesem Punkt des Geschehens verlor er vorübergehend die Orientierung und wendete nicht nur ein- oder zweimal, sondern gleich dreimal. In dem Augenblick, als er dies tat und die entfernte Nordostgrenze des Henges erreichte, geschah etwas sehr Seltsames. Die Schnüre und dergleichen, mit denen die Schwimmhilfen befestigt waren, zogen sich aus unerfindlichen Gründen so fest zusammen, dass es heftig schmerzte, und noch ehe er dazu kam, sie mit der Hand zu lockern, rissen alle gleichzeitig wie auf Kommando. Die Folge war, dass er wie ein Stein auf den Grund sank.
    Selbst unter solchen Umständen war seine wissenschaftliche Neugier stärker als sein Überlebenswille. Gewiss, es war eine unerquickliche Art, sein Leben zu beenden …
    Aber,
so sagte er sich,
zumindest wird mir die seltene Gunst zuteil, meinen eigenen Tod beobachten zu können, was, gelinde ausgedrückt, interessant werden dürfte …
    Augenblicke später, als seine Brust zu schmerzen begann und ihm dämmerte, dass er nicht ewig die Luft anhalten konnte, kam ihm ein neuer Gedanke.
    Ah!,
überlegte er.
Ich sehe eine andere Möglichkeit. Der Tod ist zweifellos
interessant, doch kann ich nicht unbedingt behaupten, dass ich am Vorgang des Ertrinkens Gefallen finde. Darum wollen wir mal sehen, ob ich mir nicht vielleicht die Grundzüge des Schwimmens beibringen kann. Jetzt …
    Er hätte wohl auf der Stelle damit begonnen, doch da war er schon auf dem Grund des Sees angelangt. Seine Trommelfelle schmerzten, seine Lungen schienen jeden Moment bersten zu wollen, und in seinem Kopf begann sich schon alles zu drehen. In diesem Moment blickte er plötzlich erst in die Augen und dann in das Maul eines jener Geschöpfe der Tiefe, wie sie einem im Albtraum begegnen.
    Die Augen des Ungetüms waren leuchtend gelb, sein Maul zu einem klaffenden Grinsen verzogen und seine Zähne scharf, lang und ziemlich bedenklich gekrümmt.
    Die Vernunft verließ ihn und wurde durch Angst ersetzt. Jedes Interesse am Studium des eigenen Todes wich dem Überlebensinstinkt. Der Fisch war ein Hecht. Als er mit dem Schwanz ausschlug und mit der Rückenflosse wackelte, suchte Stort mit den Füßen den Grund, wurde fündig und schoss wie von der Sehne geschnellt nach oben. Er hatte sich so fest abgestoßen, dass er bis an die Oberfläche und noch ein gutes Stück darüber hinaus schoss, ehe er zurück aufs Wasser klatschte.
    Er wusste, wenn er nicht wieder nach unten in das offene Maul des Hechts sinken wollte, musste er tatsächlich schwimmen lernen, und zwar schnell. Und so drosch er, indem er die Arme durch die Luft wirbeln ließ, auf das Wasser ein und stieß die Beine vor und zurück wie die Kolben einer Dampflokomotive. Es war ein mühsames Unterfangen, doch es klappte.
    Er bewegte sich mit beachtlicher Geschwindigkeit durch das Wasser, bis er allmählich erlahmte. Doch trotz schwindender Kräfte konnte er sich noch genauso gut über Wasser halten wie zuvor, und noch dazu unbehindert von den Schwimmhilfen, die ihn in seiner Bewegungsfreiheit doch stark eingeschränkt hatten.
    Kurzum, Stort hatte sich das Schwimmen beigebracht!
    Ein Hochgefühl überkam ihn, und er paddelte noch eine ganze Weile an der Oberfläche umher, bis ihm zwei Dinge aufgingen: Erstens war es Nacht geworden und er hatte sich völlig verirrt, und zweitens hatte er seine Hemdhose und alles andere verloren und befand sich jetzt in

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