Der Frühling - Hyddenworld ; 1
dass sie die Augen schloss und fast vergaß, warum sie hier war.
Bis sie zu ihrer eigenen Überraschung laut sagte: »Das Dumme ist nur, dass der, der hier sein sollte, gar nicht hier ist!«
»Und wer ist das?«, fragte die Frau mit dem frisch gebackenen Brot. Sie war Mitte vierzig und wenig anziehend, hatte aber die kräftigen Hände einer erfahrenen Bäckerin.
»Jack«, antwortete Katherine.
»So kennst du ihn?«
Katherine nickte, erzählte ihr ein wenig von ihm und gab vorsichtig zu verstehen, wie sie zueinander standen.
Die Brotbäckerin hatte kecke Augen, beeindruckende Unterarme, einen mächtigen Busen und wirkte sehr forsch. »Ich habe auch mal jemanden geliebt«, erklärte sie, »aber es wurde nichts daraus.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn liebe.«
»Aber du tust es, nicht wahr? Ich erwarte nicht, dass du es zugibst. Ich habe es auch nicht zugegeben, bis es zu spät war.«
»Aber Jack weiß …«
»Tatsächlich? Tut er das? Sollte ich noch einmal jemandem begegnen, in den ich mich verliebe, werde ich es ihm immer wieder sagen,mit jedem Laib Brot, den ich backe, Tag für Tag, immer und immer wieder.«
»Aber ich …«
»Ich würde es ihm sagen, wenn ich noch einmal Gelegenheit dazu hätte. Eine zweite Chance bekommt man nicht oft.«
Katherine dachte daran, was sie in letzter Zeit durchgemacht hatten, und da wurde ihr eines klar: Sie glaubte zwar, dass Jack wusste, was sie für ihn empfand, aber wirklich gesagt hatte sie es ihm nie. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihre Nachbarin sie am Arm stupste. »Wie sieht dieser Mister Parlance eigentlich aus?«
»So!«, antwortete Katherine und deutete auf Parlance, der auf der Fischtonne stand und gerade versuchte, sich Gehör zu verschaffen. »Wieso?«
»Anscheinend bin ich nur eine von vielen, die Brot für ihn gebacken haben.«
Sie nickte in Richtung einer Gruppe von Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Größe und Gestalt, die sich um Parlance drängten, um ihm ihr Brot zu zeigen. »Wie es scheint, sucht er die Wyf, die ihm ein besonderes Brot gebacken hat, um ihr die Gunst zu erweisen, für den Hochaltermann eine größere Bestellung aufzugeben. Deswegen bin ich hier, denn ich hoffe, dass ihm meine Ware gefällt. Aber …
das
ist er?«
Katherine nickte.
»Er ist ein gut aussehender Gentleman, wenn auch etwas sehr kurz geraten. Ist er verheiratet?«
»Ich glaube nicht.«
»Es kommt nicht oft vor, dass sich ein begehrenswerter Junggeselle in unsere Gegend verirrt, deshalb muss ich mich jetzt um meine Belange kümmern, so wie du dich um deine kümmern solltest. Ran an den Speck!«
Aber Katherine rührte sich nicht, sondern blieb, wo sie war, und sah zu, was die Brotbäckerin tat.
Die Frau bahnte sich zielsicher einen Weg durch die Menge. Als sie bei Parlance anlangte, der gerade mit seiner Ansprache beginnen wollte, zog sie das Tuch von ihrem Korb, sodass der betörende Duft ihres frischen Backwerks zu der feinen Nase des Kochs hinaufwehen konnte.
Unterdessen war die Menge still geworden, und Parlance hob zusprechen an. »Ladies und Gentlemen«, sagte er, »nachdem ich mir die Krankengeschichte des Patienten angehört habe …«
Er hielt kurz inne, und seine Nase zuckte.
»… will sagen, nachdem ich ihn gewissenhaft untersucht und beobachtet habe, und zwar so gewissenhaft, wie ich das Begießen eines Bratens beobachte oder, wichtiger noch, das langsame Aufgehen eines Kuchens, dessen Teig dreimal geknetet wurde, oder den Gärungsprozess von Pflaumenwein, oder sogar …«
Seine Nase zuckte heftiger, und über sein Gesicht huschte ein Ausdruck der Verzückung, der nicht recht zum Gegenstand seiner Rede passen wollte. »… ja sogar das Backen gewöhnlichen Brots, bin ich zu dem Schluss gekommen … aber … aber …«
Der Ausdruck der Verzückung wich einem der Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, wie er wohl von den Zügen eines Meisterkochs Besitz ergriff, wenn er ein neues Gericht in Angriff nahm. Doch an diesem Tag schien Parlance auf etwas anderes aus zu sein.
»Aber hier muss ich mich unterbrechen, von meinem Fass heruntersteigen und eine Frage stellen. Wer hat dieses Brot gebacken?« Katherine war nicht neugierig auf die Antwort und sah deshalb keinen Grund, länger zu verweilen. Die Brotbäckerin hatte ihr die Antwort gegeben, die sie in Bezug auf Jack brauchte, und sie wusste jetzt, was sie tun musste.
Sie kehrte der Menge den Rücken und ging die Straße hinauf zu Mister Kiplings Haus, in dem Jack
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