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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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lag und litt. Vor langer Zeit hatte er ihr das Leben gerettet, und seitdem glaubte sie immer zu spüren, wie seine starken Arme sie festhielten. Das gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit.
    Sie klopfe leise an Mister Kiplings Tür und trat ein, als keine Antwort kam. Das Zimmer, in dem Jack lag, war verdunkelt, und er dämmerte im Halbschlaf dahin.
    Sie ging zu ihm und betrachtete ihn. Wie schmal er geworden war, wie eingefallen seine Wangen waren.
    »Jack«, flüsterte sie. »Jack …?«
    Ihre Stimme weckte ihn.
    »Ich weiß, wo du jetzt sein möchtest, aber ich …«
    Sie fasste nach seiner Hand, und zum ersten Mal, seit sie in Wardine waren, zog er sie nicht weg.
    »… aber ich kann dich nicht hinbringen.«
    Sie legte sich neben ihn aufs Bett, und er ließ es geschehen.
    »Du möchtest nach Hause, aber ich kann dir nicht den Weg weisen. Ich weiß, was dir fehlt, aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann.«
    Sie lagen jetzt eng beisammen, Hand in Hand, die Finger ineinandergeschlungen, und hielten einander fest.
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir jemals vergelten soll, dass du mich aus dem Auto gerettet hast, als wir noch so jung waren. Ich weiß auch nicht, ob und wie ich das Leid, das dir widerfahren ist, jemals wiedergutmachen kann. Ich habe das Gefühl, dass ich nichts tun kann, Jack, überhaupt nichts.«
    Er spürte ihre Tränen auf seinem Gesicht und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Seine Stimme klang dumpf, als komme sie aus den Schatten und Tälern, und seine Hand drückte ihre.
    »Du tust es schon«, sagte er. »Du tust es schon, Katherine.«
    Sie umarmte ihn, und er sie, so gut er konnte.
    »Ich liebe dich«, flüsterte sie.
    »Ich weiß«, sagte er, und seine Hand glitt aus ihrem Haar und über ihr Gesicht zurück auf seine Brust.
    Sie schwiegen lange, dann sagte Katherine: »Sie sprechen in diesem Moment auf dem Anger über dich. Parlance sagt ihnen, was dir fehlt.«
    Jack regte sich und hätte beinahe gelacht, wenn es ihm nicht solche Schmerzen bereitet hätte. »Ich glaube, ich weiß, was mir fehlt«, sagte er.
    Sie rückte ein wenig von ihm weg und sah ihn an.
    »Was?«, fragte sie.
    »Ich bin nicht krank, jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Ich wachse
,
das ist alles. Parlance hat es schnell erkannt. Er sagt, dass meine Wunden deshalb nicht verheilen. Wirklich einleuchtend. Ich bin ein Riesengeborener, und irgendwann musste es dazu kommen. Es tut so weh, und ich war hier allein. Umgeben von Freunden, und doch allein.«
    Sie nickte, und ihr blondes Haar fiel auf seine Augen und Lippen.
    »Ich weiß nicht einmal, wo ich zu Hause bin«, fuhr er fort. »Jack ist nicht mein richtiger Name, und so zu wachsen tut schrecklich weh. Normale Hydden werden einfach nicht so groß.«
    Katherine sah sich in dem kleinen Raum um, mit all seinen Möbeln in Hyddengröße. »Ich finde, du solltest nicht länger in diesem Zimmer bleiben.«
    Er nickte. »Würdest du dich darum kümmern?«
    Sie nickte ebenfalls. Seine Hand wanderte zu ihrem Gesicht, dann zu ihrer Wange und schließlich zu ihren Lippen und befühlte sie.
    »Ich kümmere mich darum«, sagte sie.
    Er schloss die Augen, und sein Atem ging so leicht wie seit Wochen nicht mehr. Er ließ sie los.
    »Schlaf«, flüsterte sie so leise, dass sie ihre eigene Stimme kaum hörte.
Schlaf.
    Noch einmal fasste er nach ihrem Gesicht, als wollte er sich vergewissern, dass sie noch da war. Sie blieb liegen, und erst als er gleichmäßiger und tiefer atmete, ging sie.
     
    Doch sie und Jack waren nicht die Einzigen in Wardine, die an diesem Tag Heilung und einen neuen Lebenszweck fanden.
    Parlance war nämlich, nachdem er seine verblüffende Diagnose der wahren Ursache für Jacks Krankheit unterbrochen hatte, mit Elan und Beharrlichkeit dem Brotgeruch nachgegangen.
    Zum großen Verdruss der Brotbäckerin mit den kräftigen Armen erwählte er nicht sie. Und auch keine der anderen Brotbäckerinnen, die sich auf sein Geheiß eingefunden hatten in der Hoffnung, dass das Brot, das Lord Festoon in den höchsten Tönen lobte, das ihrige war.
    Doch als sie fortgeschickt wurden und die Menge sich zerstreute, hing dieser Geruch noch immer in der Luft und bedrängte Parlances Nasenlöcher wie ein Schwarm Stechmücken.
    »Mylord«, erklärte er atemlos, nachdem er zu seinem Herrn geeilt war, der im Freien saß und ungeduldig auf seine nächste Mahlzeit wartete, »Abendessen gibt es heute später.«
    Noch bevor Lord Festoon dazu kam, sich zu beschweren, war Parlance wieder fort, rannte

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