Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Nächstes traf die Polizei ein, dann ein zweiter Krankenwagen.
Die drei wurden in die Krankenwagen gelegt, das Mädchen blieb bei seiner Mutter.
Der Leichnam Richard Shores wurde zuletzt weggebracht.
Auf der Eisenbahnbrücke blickte Pike grimmig und entschlossen drein, und Stort machte ein trauriges Gesicht, als Master Brif, der all diese Gefühle gleichzeitig empfand, seinen Knüppel zum Himmel erhob und flüsternd Gebete für die Überlebenden und ein Gebet für den Toten sprach. Zuletzt kam ein Gebet für die Hydden selbst, wobei er alle zu sich rief, bevor er fortfuhr.
»Gentlemen«, sagte er, »wir, die wir Zeugen der Ereignisse dieser Nacht geworden sind, werden auch ihre Hüter sein. Wir werden über das Gesehene nicht sprechen, und wir geloben, dass wir über diese drei Überlebenden wachen werden, deren Weg wir gekreuzt haben in dieser Nacht, in der sich der Spiegel aller Dinge gezeigt und gedreht hat. Der Junge, das Mädchen, die Frau und wir bleiben als Zeugen zurück. Der Mann, der hier den Tod gefunden hat, ist uns vorausgegangen.«
»Und die Fyrd«, unterbrach Stort, »gehören auch dazu.«
»In der Tat«, räumte Brif ein. »Auch sie sind Zeugen, wie wir gefangen in der Wurd der Dinge.«
In feierlicher Anerkennung ihrer gemeinsamen Verantwortung reichten sie einander die Hände, dann wandten sie sich ab, um den Rückweg nach Brum anzutreten.
Doch sie hatten etwas vergessen.
»Master Brif …?«
Zum zweiten Mal in dieser Nacht huschte Bedwyn Stort fort und die Böschung hinunter. Pike folgte ihm, die anderen sahen zu.
»Er liegt hier irgendwo«, sagte Stort und suchte im Dunkeln das Gestrüpp ab, vorsichtig, damit die Menschen an der Unfallstelle ihn nicht bemerkten.
»Was denn?«, fragte Pike, die Hand fest auf seinem Knüppel für den Fall, dass die Fyrd zurückkehrten.
»Das da!«, antwortete Stort.
Er fasste ins Gras und hob etwas in die Höhe.
»Das ist der Rucksack des Riesengeborenen. Eines Tages wird er ihn brauchen.«
Er kletterte wieder die Böschung hinauf und gesellte sich zu den anderen.
Pike ergriff den alten Rucksack und öffnete ihn.
»Nichts drin«, erklärte er.
»Ganz recht«, sagte Brif, nahm ihn, faltete ihn zusammen und steckte ihn in seinen eigenen. »Er wartet darauf, mit Dingen gefüllt zu werden, die er für seine Reise durchs Leben braucht. Aber nun, Gentlemen, lassen Sie uns gehen!«
Sie marschierten an der Bahnlinie entlang denselben Weg zurück, den sie gekommen waren, bis die Hecken auf beiden Seiten höher wurden und der Himmel sich vor der Dämmerung noch einmal verfinsterte. Dann tauchten sie in die Dunkelheit ein und dachten darüber nach, was sie erlebt hatten und wie viele Jahreszeiten sie wohl würden durchwandern müssen, bevor ihre Wurd sie wieder mit Jack und Katherine zusammenführte.
23
NACHSPIEL
B itte sagen Sie das noch mal«, rief Margaret Foale.
Sie sprach am Telefon mit Roger Lynas, dem Beamten vom Jugendamt North Yorkshire, der Jack betreut hatte.
Sie hatte angenommen, er hätte sie angerufen, um über Jack zu sprechen, und bis jetzt hatten sie das auch getan. Doch wie es schien, würde Jack in den kommenden Jahren mehrfach operiert werden und langwierige Rehabilitationsmaßnahmen durchlaufen müssen. Bei der Rettung Katherines hatte er sich tiefe und besonders schwere Verbrennungen am Rücken zugezogen. Dass er sie überlebt hatte, grenzte an ein Wunder.
Somit war an eine Adoption des Jungen – eine Möglichkeit, mit der Margaret geliebäugelt hatte – nicht zu denken. Jacks Zustand war einfach zu kompliziert und die Pflege, die er benötigen würde, zu speziell.
»Wir hatten schon Fälle dieser Art«, fuhr Lynas fort. »Dafür gibt es sehr gute Heime.«
»Anstalten?«, hatte Margaret gefragt.
»Wir ziehen das Wort ›Heime‹ vor«, hatte Lynas geantwortet.
Dann kam der plötzliche Themenwechsel.
»Aber, Mrs. Foale, ich würde mit Ihnen gern über die Zukunft Katherines sprechen.«
Margaret blinzelte, und ihr Herz drohte stehen zu bleiben.
Kurz vor dem Anruf hatte sie noch an Katherine gedacht. Tatsächlich hatte sie in den Tagen und Wochen nach dem Unfall viel über Jack und Katherine nachgedacht.
Roger Lynas hatte, als er den Foales versprach, sie über Jacks Zukunft auf dem Laufenden zu halten, nie auch nur eine Sekunde mit einer solchen Tragödie gerechnet. Und natürlich hatten Margaret und Arthur Foale, als sie von dem Unfall erfuhren, Jack sofort in demBirminghamer Krankenhaus besucht, in das er eingeliefert
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