Der Frühling - Hyddenworld ; 1
gewesen.
Drei Menschen hatte ihm in diesen frühen Jahren zur Seite gestanden: Margaret Foale, Katherine und Roger Lynas, sein erster Betreuer vom Jugendamt. Arthur war stets im Hintergrund geblieben.
Clare Shore war nie so weit genesen, dass sie bequem reisen konnte, und hatte daher in Jacks Leben nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Allerdings wusste er, dass sie und Katherine jetzt in dem großen Haus der Foales in Berkshire wohnten. Es hatte als Arrangement zu beiderseitigem Nutzen begonnen. Clare brauchte für sich und ihre junge Tochter ein neues Heim und steckte als Gegenleistung Geld in das Haus der Foales. Was als Übergangslösung gedacht war, wurde fast zwangsläufig zum Dauerzustand. Und irgendwann stellte die kinderlose Margaret fest, dass sie sich um zwei Schützlinge kümmern musste.
Doch die Freundschaft zwischen Jack und Katherine blieb allenfalls loser Natur, erwachsen aus einer Zufallsbegegnung, die für alle Beteiligten tragisch geendet hatte.
Mit der Zeit fielen den beiden Kindern die Besuche immer schwerer, und ihre Interessen strebten in unterschiedliche Richtungen. Jack widmete sich mit den anderen Heimkindern den üblichen Aktivitäten des Stadtlebens, während Katherine eine Vorliebe für ländliche Zerstreuungen wie einsame Spaziergänge entwickelte und ihr Herz für Pferde entdeckte.
Dann der verhängnisvolle Tag, an dem Katherine ihn im Kinderkrankenhaus besuchte und er sich aufgebracht darüber beschwerte, dass die Ärzte auf einer weiteren Operation bestanden.
»Sie sind nun mal Ärzte«, argumentierte sie, als erhebe sie das zu Göttern. Zu der Zeit war sie erst zehn, er elf.
Jack hatte Schmerzen, war zornig und ängstlich, und dieser vermeintliche Mangel an Verständnis tat ihm weh, sonst hätte er sich zu den folgenden Worten, die er zu spät bereute, niemals hinreißen lassen.
»Du stehst auf ihrer Seite«, schrie er, »wie alle hier. Du hast ja keine Ahnung, was ich durchmache, nicht die geringste! Wenn deine Eltern mich nicht …«
Er hielt inne, aber es war halb heraus.
Wenn deine Eltern mich nicht mitgenommen hätten, wäre mir das wahrscheinlich nie passiert.
Katherine musste die Worte nicht hören, um zu wissen, was er hatte sagen wollen.
»Und wenn du nicht gewesen wärst …«, schrie sie zurück.
…
dann wäre mein Vater vielleicht noch am Leben und meine Mutter nicht ständig krank.
Vielleicht machte es die Sache schlimmer, dass die Worte auf beiden Seiten nie richtig ausgesprochen wurden, denn so blieben der Schmerz und der Groll und wurden größer.
Katherine hatte ihn seit jenem Tag nicht mehr besucht, und obwohl er bitter bereute, was er gesagt hatte, fand er nie den Mut, sich zu entschuldigen. Und Katherine, die sich in gewisser Weise verantwortlich dafür fühlte, dass Jack so hatte leiden müssen, konnte den Gedanken nicht ertragen, ihm gegenüberzutreten und wieder den vorwurfsvollen Ausdruck in seinen Augen zu sehen. Schließlich begann Mrs. Foale, ihn alleine zu besuchen, nachdem sie sich damit abgefunden hatte, dass die beiden wohl eine gewisse Zeit für sich selbst brauchten und dass man einen günstigeren Rahmen für Begegnungen finden sollte als ein Krankenhauszimmer.
So hatte das Schweigen zwischen den beiden, sah man einmal von den Kartengrüßen zu Weihnachten und zu den Geburtstagen ab, fünf lange Jahre gedauert.
Nun aber war Katherine am Telefon und behauptete, dass etwas geschehen sei. Etwas, worüber sie reden müsse.
»Was ist denn geschehen?«, fragte er wieder. »Es geht um Arthur.«
»Was ist mit ihm?«
»Er ist verschwunden.« Ein Zittern schwang in ihrer Stimme. »Und da Mum so schwach ist, wusste ich nicht … Ich musste …«
»Was?«, fragte Jack.
Es blieb lange still.
Dann sprach sie gefasst weiter. »Jack, ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann.«
Blitzartig drehte sich die Uhr um zehn Jahre zurück, und alles Leid, alle Zweifel, aller Groll über ihre lange Trennung waren verflogen und existierten nicht mehr.
Sie hatte nicht nur auf Wunsch ihrer Mutter angerufen, sondern auch von sich aus. Das änderte alles.
»Ich muss vorher noch ein paar Dinge erledigen«, sagte Jack kurz entschlossen, »aber ich komme.«
25
DAS GESPRÄCH
J ack rief Katherine am nächsten Tag zurück.
Sie begannen zu reden und hörten nicht mehr auf, erzählten sich gegenseitig, was sie in den letzten Jahren getan hatten. Noch am selben Abend telefonierten sie erneut miteinander.
»Wenn man’s genau nimmt, haben wir eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher