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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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schon weiter war.
    Er konnte nicht verstehen, warum Katherine mal fröhlich lachte, sich in seiner Gesellschaft sichtlich wohlfühlte und etwas mit ihm unternehmen wollte, dann wieder bissige Kommentare über sein Leben in der Stadt abgab, sich über ihn lustig machte und mit ihm über eine Kleinigkeit stritt. Es war, als hätte sie ihn mal gern und dann wieder überhaupt nicht. Das ärgerte und frustrierte ihn – bis Katherine sich wieder von ihrer sonnigen Seite zeigte und alles vergessen war.
    So wuchs in ihm der ungestüme, beinahe grimmige Wunsch, die Hand ausstrecken, sie berühren und ihr sagen zu können, was für Gefühle sie bei ihm hervorrief.
    Nicht dass irgendjemand, der sie in diesen ersten Wochen sah, bemerkt oder auch nur geahnt hätte, dass unter der ruhigen Oberfläche ihres täglichen Lebens solche Gefühle brodelten. Sie sprachen nicht miteinander darüber, gestanden sich selbst kaum etwas ein und richteten ihre Energie stattdessen auf Aktivitäten, die sie körperlich auf Trab hielten und ihre Gedanken beschäftigten.
    Sie standen beide vor Prüfungen, die Ende Mai begannen, und gingen auf unterschiedliche Weise mit der Arbeitsbelastung um. Katherine vergrub sich in ihrem Zimmer und tauchte nur gelegentlich auf, um sich etwas zu trinken zu holen, im Garten einen Spaziergang zu machen oder einfach nur bei ihrer Mutter zu sitzen.
    Jacks Abitur stand im Juni an, doch er hatte den Lernstoff bereitsintus und war nur noch mit Wiederholen beschäftigt. Er hatte alles auf Karteikarten geschrieben, und wenn das Wetter schön war, und das war es meistens, suchte er sich im Garten ein Plätzchen und repetierte, auf dem Rücken in der Sonne liegend, den Stoff.
    Eines Tages, als er mit geschlossenen Augen so dalag, hatte er plötzlich das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Nicht von Katherine, das wusste er, denn sie büffelte oben in ihrem Zimmer. Er konnte ihren über Bücher gebeugten Kopf sehen.
    Margaret Foale war es auch nicht, denn die war einkaufen gefahren.
    Und Clare konnte es nicht sein.
    Er setzte sich auf und schaute sich um.
    Es war mehr als das Gefühl, dass ihn jemand sehen konnte, den er nicht sah. Es ging tiefer. Er fühlte sich beobachtet, und dieses Gefühl war besonders stark.
    Langsam erhob er sich. Er stand neben einer der beiden großen Koniferen, und er war sich bewusst, dass sie ihn weit überragte, als ob … als ob …
    Was ihn beunruhigt hatte, war das Gefühl, dass er schon einmal an diesem Ort gewesen war, nur dass es nicht dieser Ort, nicht der Garten war. Es war hier, genau hier, und doch woanders, und der Baum, der über ihm in die Höhe ragte und so dick war, dass er ihn mit den Armen nicht einmal halb umfassen konnte, gab ihm das unbehagliche Gefühl, er sei kleiner – oder mal kleiner gewesen –, als er war.
    Er war ein Kind, und doch auch wieder nicht.
    Er war so groß wie Katherine in seinen wiederkehrenden Träumen, aber er war nicht wie Katherine.
    Er war der bärtige Mann aus seinem Albtraum, und doch auch wieder nicht. Er war in einer anderen Welt, aus einer anderen Welt, und aus dieser Welt beobachtete ihn jemand.
    Er stand reglos da und gestand sich etwas ein, das er in den Monaten, bevor er nach Woolstone gekommen war, nicht hatte wahrhaben wollen. Wie oft hatte er gedacht, geträumt oder sich vorgestellt, dass es eine andere, für ihn unerreichbare Welt gab, die, wenn er nur einen Weg finden könnte …
    »Einen Weg dorthin
zurück
finden könnte«, murmelte er vor sich hin. »Ich bin mir sicher, dass ich schon einmal dort war …«
    Wenn ihm dies gelänge, würde er sich nicht mehr so ruhelos fühlen, mehr zu Hause.
    Zu Hause.
    Der bloße Gedanke an dieses Wort schmerzte, denn er empfand dabei ein Gefühl des Verlustes.
    Zu Hause.
    Noch nie war er dem Gefühl, ein Zuhause zu haben, so nahe gekommen wie hier, und doch war sein Zuhause nicht hier.
    Zu Hause war immer noch dort, wo er hinwollte.
     
    »Jack! Was tust du denn da, Jack?«
    Es war Katherine, die aus dem Fenster rief.
    Sie hatte nach draußen geschaut und gesehen, wie Jack versuchte, den Baum zu umarmen, und dann zu ihrer Überraschung und Belustigung in die Hocke ging und ganz langsam um den Stamm herumspähte, auf die umsäumte Rasenfläche dahinter.
    »Jack!«
    »Ich suche jemanden«, rief er zurück, obwohl er wusste, dass sie sich über die Antwort ärgern würde. »Du kannst also ruhig weiterarbeiten!«
    Das Gefühl, aus einer anderen Welt als seiner eigenen beobachtet zu werden,

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