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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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immer gemocht, und ich mag sie auch, weil sie so etwas Heidnisches und Erdverbundenes haben. Abgemacht?«
    »Abgemacht.«
    Dann, als dieser kurze Moment der Ruhe vorüber war, rannte sie auf ihr Zimmer, und Jack hörte sie nicht zum ersten Mal weinen.
    Erst allmählich, durch Dinge, die sie selbst sagte, und Bemerkungen, die Mrs. Foale gelegentlich fallen ließ, begann Jack in vollem Umfang zu verstehen, was in Katherine vorging. Sie trauerte nicht nur um Clare, sondern auch um das gemeinsame Leben, das Clare und ihrem Mann Richard versagt geblieben war.
    Mrs. Foale ertrug Katherines Stimmungsschwankungen weniger geduldig als Jack. Clares Tod hatte das Gefühl der Verlassenheit verstärkt, das sie seit Arthurs Verschwinden empfand, dem nachzugeben ihr aber unpassend erschienen war, solange Clare so krank war.
    Nun aber kam es vor, dass sie an manchen Tagen allein im Gemüsegartenstand und um den Mann und nun auch um die teure Freundin, die sie verloren hatte, weinte. Sie achtete jedoch immer darauf, dass Katherine sie nicht sah, und hinterher nahm sie sich zusammen und rief sich ins Gedächtnis, was für ein großes Geschenk es für sie gewesen war, als Clare und Katherine nach Woolstone House kamen. Dann begab sie sich auf ihr Zimmer, entkleidete sich und ging zu Bett, entschlossen, am nächsten Tag einen Weg zu finden, wie sie Katherine zeigen konnte, dass sie sie immer noch liebte.
    Katherine wiederum, ebenso verlassen und orientierungslos, verfiel mitunter in Schweigen und saß dann untröstlich im Wintergarten oder im Freien und lauschte den Windspielen, und das bei jedem Wetter.
    Mal legte sie laute Rockmusik auf, dann wieder ließ sie sich Badewasser ein und dachte nicht mehr daran, sodass es eine Überschwemmung gab …
     
    So war es an Jack, sie alle auf die eine oder andere Weise zusammenzuhalten.
    Dabei begann er mit jedem Tag, den die Bestattung näher rückte, besser zu verstehen, dass Trauer und Verlust die Menschen anfällig machten für die unsichtbaren Welten, die um sie herum wogten und vor denen ihre Psyche sie normalerweise zu schützen vermochte.
    Es war schon schlimm genug, dass dieser Ausbruch von Trauer tagsüber Wellen von Misslaunigkeit und Unvernunft durch das Haus und den Garten sandte. Was noch schlimmer war und ihn nach Imbolcs Warnung weitaus bedenklicher stimmte, war, dass bei Nacht etwas Finstereres ums Haus schlich – und immer näher kam.
    Wenn die Frauen drinnen waren, eingesperrt in ihre Trauer, und in finsterem Schweigen ihre Mahlzeiten einnahmen oder gar nichts aßen und sich auf ihre Zimmer zurückzogen, suchte Jack im Garten Erholung von ihnen.
    Seine Lieblingsplätze waren ein Graslager, das zwischen den drei Bäumen, die es umringten, strahlenden Sonnenschein einfing, ein von einer Quelle gespeister Teich, den dichtes Bambusgestrüpp umschloss, und eine lauschige Stelle hinter einem der heruntergekommenen Steingärten. Wenn er dort auf dem Rücken lag oder mit übergeschlagenen Beinen dasaß und nach Anleitung eines Buches, das erin der Bibliothek entdeckt hatte, zu meditieren versuchte, begann er nach und nach, die Geräusche der Erde selbst zu hören.
    Die Ereignisse der vergangenen Tage schienen sein Bewusstsein geschärft zu haben, denn er hörte alles Mögliche, das er zuvor kaum wahrgenommen hatte: Bäume, die leise knarrten, Blätter, die durchs Geäst taumelten, Amselbeine, die durchs Unterholz hasteten, den Wind, der durch den Garten strich, gelegentlich ein Regenprasseln, Bienen, die von Blüte zu Blüte summten, und, mehr als einmal, das energische Getrippel eines Igels im Gestrüpp.
    Diese und viele andere Geräusche verschmolzen mit dem Klirren der gläsernen Windspiele, die Clare und andere in den Büschen rings um das geheime Henge aufgehängt hatten. Wenn sie ertönten, glaubte Jack zu verstehen, wie ihre sanften Klänge Dinge zerlegten und ihre Spiegelungen von Sonne und Himmel die Bäume, das Gras und selbst die Schatten besprenkelten und auflösten.
    Tagsüber, wenn Wind ging und das Klirren ununterbrochen anhielt, hatte er das Gefühl, dass es nichts zu befürchten gab. Dann konnte er sich zurücklehnen, die Sonne genießen, Zeit und Ort und vor allem die Umstände vergessen. Er spürte, dass Katherine keine Gefahr drohte und dass Mrs. Foale ruhig war.
    Abends jedoch, wenn mit dem Tageslicht auch die Reflexionen in den Glasscherben und Spiegeln erloschen und die einsetzende Windstille den Garten ihrer beruhigenden Klänge beraubte, war er umso mehr

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