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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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größere sind freilich die im Charakter, der Persönlichkeit und dem Temperament, die uns denn wohl auch individuell kennzeichnen. Wir stellen uns gerne vor, dass wir die meiste Zeit wir selbst sind, und werden schon in frühester Kindheit dazu ermuntert. Doch engen viele Beschränkungen den Ausdruck ein, mit dem wir der Welt zeigen, wer wir eigentlich sind. Wenn wir uns aus der Masse nicht herausheben, durchdringt unsere Einzigartigkeit wahrscheinlich immer nur kurz den Schleier der Vertrautheit, durch den unsere Familie und Freunde uns sehen. Sitten und Gesetze impfen uns Anpassung ein: Aber die meisten Jungen wollen auf eine Art dazugehören, durch die sie in ihrer Bezugsgruppe aufgehen, aber auch zum Ausdruck bringen können, was sie von den anderen unterscheidet.
    Die amerikanische Sängerin und Schauspielerin Bette Midler (*   1945) rät: »Pflege immer, was dich einzigartig macht, denn wenn es verschwindet, bist du stinklangweilig!« Inwiefern können wir also, außer in körperlicher Hinsicht, anders als die anderen sein? Außen vor bleiben müssen hier in jeder Antwort charakterliche Aspekte, die unbeständig, wechselhaft und von einer subjektiven Bewertung abhängig sind – so etwa Attraktivität, Humor und ästhetischer Geschmack. Zu den Merkmalen, die uns von allen anderen unterscheiden, könnten die Intelligenz, die geistigen Fähigkeiten, die schöpferischen Fähigkeiten, das Temperament und die Intro- sowie die Extrovertiertheit gehören. Doch sind nicht alle diese Merkmale »fix«. Geistige und schöpferische Fähigkeiten können sich im Verlauf unseres Erwachsenenlebens je nach den Umständen durchaus verändern. Allein umreißt keine von ihnen unsere persönliche Einzigartigkeit, während sie in einer Kombination mit den anderen zu unserer »Persönlichkeit« beitragen.
    In welchem Maß wir uns von anderen unterscheiden, ist nur schwer einschätzbar. Hier geraten wir wieder in die Diskussion um das, was angeboren und was anerzogen ist. Die Frage ist bislang ungelöst, auch wenn neuere Erkenntnisse aus der Genetikund der Hirnforschung eher für eine angeborene Persönlichkeit sprechen. Auch wenn das Ausmaß unserer Einzigartigkeit uns allen gemein sein soll, so fühlt sich manch einer doch unbehaglich, wenn er als besonders anders wahrgenommen wird. Andere, die nach Mitteln suchen, um Individualität zu bekunden, werden dabei in der Gesellschaft vielfach entmutigt. So bemerkte der Schriftsteller Rudyard Kipling (1865–1936), dass »das Individuum von jeher darum kämpfen musste, sich der Übermacht des Stammes zu erwehren. Sein eigener Herr sein ist ein hartes Geschäft. Wer es versucht, ist oft einsam und zuweilen verängstigt. Doch ist für das Privileg, sich selbst zu gehören, kein Preis zu hoch.«
Ist aggressive Selbstbehauptung immer falsch?
    Eine solche Selbstbehauptung wird häufig mit der rücksichtslosen Durchsetzung eigener Interessen, Meinungen und Forderungen assoziiert, in der Überlegenheitsgefühl und Intoleranz gegenüber anderen zum Ausdruck kämen. Positiver kann diese Art Selbstbehauptung auch in der Wahrung eigener Rechte und dem entschiedenen Vertreten eigener Ansichten gegenüber Anfechtungen oder Positionen bestehen, die als moralisch falsch angesehen werden. Aggressive Selbstbehauptung ist da berechtigt, wo sie dem Ziel dient, für das eigene Wirken oder Anliegen die Anerkennung zu erlangen, die ihr zu Unrecht versagt bleibt. Entsprechend bestimmt in Dingen, die uns persönlich berühren, oft nicht das Was, sondern das Wie unseres Tuns – und die sorgfältige Austarierung der Mittel – dessen Legitimität. Der Philosoph John Stuart Mill (1806–1873), ein Verfechter der Freiheit des Individuums, umriss diese Spannung in ihrer extremeren Form so: »Heidnische Selbstbehauptung ist ein Bestandteil menschlichen Wertes ebenso wie die christliche Selbstverleugnung.«
    Das von Sigmund Freud vertretene strukturelle Modell dermenschlichen Psyche umfasst drei Elemente: das Es, das Ich und das Über-Ich. »Das Ich repräsentiert, was man Vernunft und Besonnenheit nennen könnte«, während das Über-Ich eine Art Gewissen sei, das Fehlverhalten mit Schuldgefühlen bestrafe. Das hier interessierende Ich »gleicht so im Verhältnis zum Es dem Reiter, der die überlegene Kraft des Pferdes zügeln soll«, wobei das Ich dies aber im Unterschied zum Reiter nicht mit eigenen, sondern mit geborgten Kräften tue.
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    »Das Recht der Natur … ist die Freiheit eines jeden, seine Macht

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