Der Fuenf-Minuten-Philosoph
nach eigenem Willen zum Erhalt seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, einzusetzen.«
Thomas Hobbes (1588–1679)
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Setzte Freud das Ich als den Teil des Geistes an, der das Bewusstsein barg, so hat der Begriff inzwischen mehrere Bedeutungen erlangt. Die Philosophie hat ihn auf das erfahrene »Ich« festgelegt, das nicht mit Körper oder Geist, sondern mit der Fähigkeit gleichgesetzt wird, unsere Haltung gegenüber dem Körper, dem Geist und der physikalischen wie sozialen Umwelt zu organisieren. Das »Ich« bündelt die Identität und Individualität und gibt uns wie ein Kompass eine konsistente Richtung vor, an der wir uns auf unserer vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Reise durchs Leben orientieren. Selbstbehauptung, eine bewusste Propagierung des »Ich«, wurde, bezogen auf das Freud’sche Ich, mit der Selbstwertschätzung und einem übertriebenen Gefühl für den eigenen Wert in Verbindung gebracht. Kurz: Selbstbehauptung sei Ausdruck unseres Egoismus.
Der japanische Filmregisseur Akira Kurosawa (1910–1998) zog zwischen Egoismus und Altruismus eine scharfe Trennlinie: »Die Japaner sehen Selbstbehauptung als unmoralisch und Selbstaufopferung als die vernünftige Richtung an, die man im Leben einschlagen solle.« Wohl am engsten mit Amoralität verknüpft ist der Egoismus, der, ob unverhohlen oder verdeckt, in Form der Selbstbehauptung auftritt. Oscar Wilde (1854–1900)fasste es mit typischer Knappheit so: »Egoismus heißt nicht, so zu leben, wie man will, sondern von anderen zu verlangen, dass sie so leben, wie man es gern hätte.« Doch ist aufgeklärter Egoismus bisweilen entscheidend – als eine Überlebenstechnik, wie der babylonische Rabbi Hillel (110 v. – 10 n. Chr.) es verstand: »Wenn ich nicht für mich da bin, wer dann? Aber wenn ich nur für mich da bin, wer bin ich dann? Wenn nicht jetzt, wann dann?«
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DER KOSMOS
»Wir und der Kosmos sind eins. Der Kosmos ist ein großer Körper, und wir sind noch immer Teile von ihm. Die Sonne ist ein großes Herz, dessen Pochen durch feinste Adern pulst. Der Mond ist ein großes gleißendes Nervenzentrum, das uns auf ewig zucken lässt.«
D. H. Lawrence (1885–1930)
H at das Universum einen Anfang?
Lange bevor die Astrophysiker ihre gegenwärtigen Theorien zum Ursprung des Universums formulierten, hatten sich die Philosophen und Theologen an schlüssigen Beiträgen zum Thema versucht. Die wohl bekanntesten Ansätze, eine Antwort auf die Frage zu finden, lieferten die Religionen, die, wie im Buch Genesis der Bibel festgehalten, einen Schöpfungsmythos in die Welt setzten. Wenn das Prinzip von Ursache und Wirkung gilt, dann ist der Schöpfergott die »Erste Ursache« – also der Anstoßgeber für alle folgenden Abläufe im Kosmos. Die griechischen Philosophen mieden im Allgemeinen den Gedanken an eine Schöpfung und begegneten einer Kosmologie, die ein göttliches Eingreifen erforderte, mit Skepsis. Für sie hatten das Universum und die Menschen von jeher existiert, und sie würden auch ewig weiterexistieren. Für Immanuel Kant sind Raum und Zeit von ihrem Ursprung her Begriffe oder Konstrukte des Geistes: Kenntnis von ihnen erhalten wir nicht auf dem rationalen Weg, sondern durch intuitive Erkenntnis, die durch Erfahrung bestätigt wird, weil wir, so Kants Formulierung, die beiden Anschauungsformen dazu nutzen, um »alles überhaupt äußerlich Wahrgenommene zu ordnen«. Und weiter argumentiert Kant, dass dagegen diejenigen, welche »die absolute Realität des Raumes und der Zeit behaupten, sie mögen sie nun als substituierend, oder nur inhärierend annehmen, mit den Prinzipien der Erfahrung selbst uneinig sein müssen«. Weil Zeit und Raum »in unserem Gemüt bereitliegende« Anschauungsformen seien, bildeten sie den Zusammenhang, in dem wir unser Wissen erwerben und organisieren. Wenn das Universum keinen Anfang in der Zeit hätte, wäre dies nicht möglich.
Aber wenn das Universum tatsächlich einen zeitlichen Beginn hat, bleibt die Frage, warum es in einem bestimmten Moment entstanden ist. Die biblische Erzählung der Genesis deuteteAugustinus von Hippo nicht wörtlich, sondern bezeichnete die sechs Tage der Schöpfung als Bild für die Entwicklungsstadien in der Erkenntnis der Engel. In seinen Predigten zum Buch Jesus Sirach (18, 1) heißt es: »creavit omni simul« , Gott »schuf alle Dinge auf einmal«, und zu all diesen Dingen gehörte auch die Zeit.
Als der amerikanische Astronom Edwin Hubble
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