Der Fuenf-Minuten-Philosoph
Vermittler, keine äußere Hilfe, sondern nur den eigenen Willen, sich auf diesen Prozess einzulassen und sich ihm hinzugeben. Der ehemalige Harvard-Professor und Hindu-Konvertit Ram Dass (* 1931), der durch bewusstseinserweiternde Experimente bekannt geworden ist, fasst es so: »Die spirituelle Reise ist etwas Individuelles, höchst Persönliches. Sie lässt sich nicht organisieren oder regulieren. Es stimmt nicht, dass jeder einem Weg folgen sollte. Hör auf deine eigene Wahrheit.«
Wenn wir zu verstehen versuchen, was ein spirituelles Leben ist, und es, wenn auch bescheiden, leben wollen, machen wir es wahrscheinlich übertrieben kompliziert, wenn wir es in Glaubenslehren und Mystiken verpacken, uns hinter allen möglichenorthodoxen Praktiken und Autoritäten verschanzen und uns verwirren, indem wir zwischen Körper und Geist, Materiellem und Spirituellem, Weltlichem und Sakralem oder auch nur zwischen Gut und Böse unterscheiden. Wie ein Werbeslogan – »Just do it!« – empfiehlt, sollten wir uns dieser Spiritualität einfach hingeben. Der 2. Kalu Rimpoche (1905–1989), ein tibetischer Lama, sagte: »Wir leben in der Illusion und nach dem Anschein der Dinge. Es gibt eine Realität. Wir sind diese Realität. Wenn man dies versteht, dann erkennt man, dass man selbst nichts ist und dass man, da man nichts ist, doch alles ist. Das ist alles.«
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»Jetzt ist es nicht mehr die Anwesenheit, sondern die Abwesenheit Gottes, die den Menschen beruhigt. Das ist seltsam, aber wahr. «
Fritz Lang (1890–1976)
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Was ändert sich mit der Abwesenheit Gottes?
Die Abwesenheit Gottes wurde erstmals im Existenzialismus postuliert, einer philosophischen Strömung, die im 19. Jahrhundert entstand und sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entfaltete. Sie legte den Fokus ihrer philosophischen Suche anstatt auf Erkenntnis eher auf das Sein. Der Existenzialismus bürdet die Verantwortung, dem Leben Bedeutung und Sinn abzuringen, ganz dem Einzelnen auf, der sich dabei nur auf seine eigene Erfahrung und seine persönliche Situation stützen kann. Gab zuvor der Glaube an Gott dem Leben einen Sinn, so befreite nun der Existenzialismus mit seiner weltlichen Ausrichtung unser Denken so sehr, dass es sich ohne die metaphysische Vorherrschaft neue sinnstiftende Bezugspunkte suchen konnte. Bei dieser Suche galt Gott als abwesend, eine Anschauung, die Friedrich Nietzsche mit dem berühmten Ausspruch: »Gott ist tot!« vorweggenommen hatte. Diese Entwicklung beinhaltete allerdings nicht implizit das Ende der Religion, da die existenzialistischen Grundgedanken zur Selbstverantwortung zahlreiche religiöse Reaktionen hervorriefen. In einem gewissem Grad kann auch der Buddhismus als eine existenzialistische Religion gelten, weil er die Selbsterkenntnis und die Notwendigkeit betont, hinter eine Welt zu blicken, die letztlich vollständig Illusion ist. Wichtig ist, dass unsere Existenzen »authentisch« und wir uns selbst gegenüber aufrichtig sind. Und in diesem Bestreben halten einige an der Präsenz Gottes fest, während andere bei der Betrachtung ihrer Existenz mitsamt deren Zwängen zu dem Schluss gelangen, dass Gott eben nicht mehr da ist.
Wenn Gott abwesend ist, bedeutet dies nicht, dass er nicht existiert, sondern nur, dass er sich zurückgezogen hat. In den Worten Martin Heideggers (1889–1976) wird er zu »Gott jenseits von Gott«: Er ist abwesend in dem Sinn, dass seine Existenz von einer vollständig anderen Art ist, gefangen im Spannungsfeld zwischen Sein und Nichtsein und doch mit der Erfordernis des Seins, um Gott »zu sein«. Einfacher ausgedrückt, ist Gott deshalb abwesend, weil er nicht erkannt werden kann, weil unser Geist nicht in der Lage ist, die Grenzen der sinnlich erfahrbaren Welt zu überwinden. Aus diesem Grund ist die Abwesenheit Gottes ein Bild für die Einsamkeit des Menschen, für sein Alleinsein, da Gott im Umfeld unserer individuellen »Seiendheit« nicht anzutreffen ist. Jean-Paul Sartre (1905–1980) schrieb: »Die Abwesenheit ist Gott. Gott ist die Einsamkeit des Menschen.« Dies war und bleibt das Mantra des mit spirituellem Potenzial aufgeladenen Säkularismus. Und doch verbreitete die Abwesenheit Gottes, so erkannte schon Søren Kierkegaard (1813–1855), Schrecken oder »Angst«, weil sich unsere Existenz zu einer unbestimmten Zukunft hin öffnet, die wir nur durch unsere frei gewählten Taten aushandeln können. Für Kierkegaard war der abwesende Gott der verborgene Gott:
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