Der Fuenf-Minuten-Philosoph
und Pflichten in Verbindung gebracht und verweisen auf ein Prinzip, gegen das unter keinen Umständen verstoßen werden darf. Ein absolutes moralisches Gesetz findet man eher in einem religiösen Umfeld, insbesondere in dem der biblischen Religionen, aber es kann auch im weltlichen Bereich gelten. Ein Gesetz kann über Jahrhunderte hinweg absolute Geltung haben, diesen Status aber am Ende doch verlieren. So landeten im Mittelalter vom Glauben Abgefallene oder Ketzer, die einen Widerruf verweigerten, ohne Pardon auf dem Scheiterhaufen. In der modernen westlichen Gesellschaft gibt es solche Verbrechen dagegen nicht mehr.
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»Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Hier stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!«
Martin Luther (1483–1546)
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Vorbild für eine absolute Gesetzgebung waren die Zehn Gebote aus dem Alten Testament (Ex 20, 12–15), als Imperative formuliert wie: »Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.« – »Du sollst nicht morden.« – »Du sollst nicht die Ehe brechen.« – »Du sollst nicht stehlen.« usw. Doch haben alle diese Gebote alllmählich ihren Absolutheitsanspruch eingebüßt. Die Absolutheit eines Gesetzes wird tendenziell anhand der Strafe bestimmt, mit der die Zuwiderhandlung geahndet wird. In vielen Teilen der Welt steht auf Mord noch immer die Todesstrafe nach dem Prinzip »Auge um Auge«, weil dem Gesetz wie auch der Strafe uneingeschränkte Geltung zugebilligt werden. Tatsächlich kommt dem Gesetz bei genauerer Betrachtung längst kein absoluter Stellenwert mehr zu, da inzwischen je nach Motiv, Auslöser und Planung der Tat verschiedene Arten vonTötungsdelikten unterschieden werden. Dasselbe gilt für andere Verbrechen, die einst als Verstoß gegen ein absolutes Gebot galten, so zum Beispiel für Diebstahl oder Ehebruch.
In der westlichen Gesellschaft wird moralische Absolutheit nicht mehr durch das Recht, sondern durch ein Ideal bestimmt. Irgendwo zwischen den Zehn Geboten und dem uferlosen Gesetzesdschungel, der aus ihnen hervorgegangen ist, gibt es einen harten moralischen Kern, der nicht weiter reduzibel ist. Als sogenannte Goldene Regel hat er sich seit dem antiken Babylon bis zum modernen weltlichen Humanismus in unveränderter Form erhalten. Diese Regel der Gegenseitigkeit verlangt positiv, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will, und negativ, anderen nichts anzutun, von dem man nicht möchte, dass es einem selbst angetan wird. Auf die Bitte, das jüdische Gesetz zusammenzufassen, antwortete Rabbi Hillel: »Was du verabscheust, dass tue dem Gefährten nicht an. Das ist die ganze Thora. Das Übrige ist Erläuterung. Gehe hin und lerne.« In die christliche Terminologie übertragen, bedeutet dies: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« In seiner Abschiedspredigt sagte Mohammed: »Schadet niemandem, auf dass niemand euch schade.« Das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der abendländischen Moralphilosophie, die bekanntermaßen in Kants kategorischem Imperativ gipfelt. Dessen erste Formulierung lautet: »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« Darauf folgt dicht: »Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.«
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»Sei nicht zu moralisch. Du könntest dich dadurch um ein gutes Stück Leben betrügen. Ziele über die Moral hinaus. Sei nicht einfach gut, sei gut für etwas!«
Henry David Thoreau (1817–1862)
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Die Formulierung von Grundprinzipien der Sittlichkeit, wieKant sie umriss, gibt keine objektive moralische Absolutheit wieder, aber sie steht für ein Ideal, für den kleinsten gemeinsamen Nenner des zivilisierten Umgangs miteinander. Ein moralisch Absolutes kann nur vertreten werden, wenn es aus freien Stücken angenommen wird. Wenn es anderen aufgezwungen wird, ist es eben nicht »moralisch«. Wie Blaise Pascal mahnte: »Die Welt wird durch Gewalt, nicht durch Meinung beherrscht, aber die Meinung setzt Gewalt ein.«
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