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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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zu nichts so bereitwillig hin, als ihren Glauben durchzusetzen. Wo gewöhnliche Mittel scheitern, greifen sie zum Gebot, zu Gewalt, Feuer und Schwert.«
    Michel de Montaigne (1533–1592)
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    Hübsch illustriert wurde dieses Gleichgewicht mit der Namensgebung eines Berges auf Livingston, der zweitgrößten der Südlichen Shetlandinseln in der Antarktis. Er heißt Intuition Peak in Anerkennung des Beitrages, den die Eingebung beim Fortschritt in der Wissenschaft und in der Erkenntnis leistet.
Ist wirklich wichtig, was wir glauben?
    Die Freiheit zu glauben, was wir glauben wollen, brachte eine schier grenzenlose Fülle an religiösen und weltlichen Glaubenssystemen und Ideologien hervor. Bisweilen können wir uns schon nicht mehr entscheiden, was wir glauben sollen und gelangen im Leben zu der Haltung, dass »alles erlaubt ist«. In der Vergangenheit wurde den Menschen vorgeschrieben, was sie zu glauben hatten. Diese Glaubensinhalte durchdrangen jeden Aspekt des Lebens und der Kultur und bestimmten ihr Leben und die Art ihres Denkens. Was geglaubt wurde, war für den Einzelnen von entscheidender Bedeutung, denn angeblich bestimmte es sein Schicksal für die Ewigkeit im Paradies oder in der Hölle. Ebenso große Bedeutung hatte es auch für die gesamte Gesellschaft, da ihr der Zement des vorherrschenden Glaubens Zusammenhalt gab und ihrer Zersplitterung vorbeugte. Der Glaube stellte eine nahezu unumstößliche Autorität dar, die die Gesetze und sittlichen Werte absicherte, die die Herrscher über das gemeine Volk bestimmten. Dabei erleichterten diese klar definierten und kompromisslosen althergebrachten Traditionen in gewisser Weise das Leben: Die Menschen kannten ihren Platz im Hier und Jetzt und ihre Bestimmung für die Ewigkeit. Und Zeit ihres Lebens genossen sie die geistige Sicherheit einer Autorität, die ein Monopol auf die Wahrheit hatte.
    Auch wenn eine offen denkende Gesellschaft gegenüber der Welt vor der Aufklärung einen deutlichen Fortschritt darstellt, so können wir uns im »Chaos der Möglichkeit«, wie es Martin Buber nannte, leicht verirren. Als eine Reaktion darauf ist das Aufkommen und die weite Verbreitung des religiösen Fundamentalismus zu verstehen: Mit ihm soll dem Chaos eine Ordnung aufgezwungen werden. Nach Benjamin Cardozo (1870–1938), einem Richter am Obersten Gerichtshof der USA, ist »die Freiheit des Denkens … die Matrix, die unabdingbare Voraussetzung für fast jede andere Form der Freiheit.« Was wir in Freiheit denken, ist wohl wichtiger als alles, was wir unter Zwang meinen, denn in einer Demokratie werden Recht und Sittlichkeit nicht durch die Überzeugungen bestimmt, die eine Minderheit der Mehrheit aufzwingt, sondern durch die kollektiv in Erscheinung tretenden Sichtweisen des Einzelnen.
    Der »Glaube« an sich birgt allerdings das Problem, dass er zuweilen insofern vollständig subjektiv ist, als er weder auf einem Wissen noch auf einer Erfahrung beruht. Glaube kann fehlgeleitet und sogar völlig irrig sein und selbst dann noch blind verfochten und aufrechterhalten werden, wenn seine Irrtümer erwiesen sind. »Ich weiß, was ich glaube. Ich werde auch weiterhin sagen, was ich glaube. Und was ich glaube, halte ich für richtig«, sagte der ehemalige US-Präsident George W. Bush (*   1946). Ob Glaube berechtigt ist, hängt deshalb auch von seinem Inhalt und davon ab, warum er geteilt und wie er vertreten wird. Der schwedische Wirtschaftsprofessor Niclas Berggren (*   1968) schrieb: »Der Glaube steuert das Verhalten, aber er basiert oft nicht auf Erfahrung und trifft oder reflektiert deshalb auch nicht die innig gelebte Dimension der menschlichen Existenz.« Stattdessen stecke er eine Identität ab und vermittle ein Gefühl von Zugehörigkeit. Berggren setzt den Glauben mit einem tief in uns steckenden Kompass gleich und sieht ihn als einen Beitrag zu unserem Empfinden dafür, wer wir selbst sind. Damit hebt er auf den wichtigen Punkt ab, dass das, was wir sind und tun, nicht vollständig von unserem Wissen bestimmt wird. Unsere Überzeugungen können unsere Beziehungen wie auch unsere Verhaltensweisen bestimmen. Sie müssen nicht endgültig sein, sondern können als Ausgangspunkt für die weitere Suche dienen: als Hypothese, als ein Ansatz für wissenschaftliche Forschungen oder philosophische Fragestellungen. David Hume schrieb: »Der Glaube ist dieser Akt des Geistes, der Wirklichkeiten oder das, was wir dafür halten, gegenwärtiger macht als Erdichtungen, der dafür

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