Der fuenfte Berg
lösen - wenngleich er nicht an die spirituelle Welt glaubte und sich sehr davor fürchtete zu sterben. Mehr als einmal hatte er seine Autorität ins Spiel gebracht, um einer Entscheidung von Elia die Kraft eines Urteils zu verleihen. Manchmal war er auch mit einem Richtspruch nicht einverstanden gewesen, und im nachhinein hatte Elia dem Stadthauptmann recht geben müssen.
Akbar wurde allmählich zu einer phönizischen Musterstadt. Der Stadthauptmann hatte ein gerechteres Steuersystem geschaffen, die Straßen in der Stadt verbessert, er wußte die Einnahmen, die die Stadt aus den Steuern auf die Waren erhielt, klug zu verwalten. Es gab eine Zeit, da hatte ihn Elia gebeten, das Trinken von Wein und Bier zu verbieten, weil die meisten Streitigkeiten, die er zu schlichten hatte, von Betrunkenen ausgelöst worden waren. Der Stadthauptmann hatte jedoch eingewandt, so etwas gehöre zum Leben einer Stadt und es hätte immer geheißen, daß die Götter sich freuten, wenn die Menschen sich nach einem Arbeitstag vergnügten, und daß sie die Betrunkenen beschützten. Zudem sei die Region berühmt dafür, weltweit einen der besten Weine herzustellen. Und die Fremden würden mißtrauisch werden, wenn man in Akbar den eigenen Wein verschmähte.
Elia respektierte die Entscheidung des Stadthauptmanns und stimmte mit ihm darin überein, daß fröhliche Menschen mehr produzieren.
»Ihr braucht Euch nicht so sehr zu mühen«, sagte der Stadthauptmann, bevor Elia sich an die Arbeit dieses Tages machte. »Ein Helfer hilft der Regierung nur mit seiner Meinung.«
»Ich habe Heimweh und möchte gern in mein Land zurück. Doch solange ich mich hier nützlich mache, kann ich vergessen, daß ich hier fremd bin«, entgegnete er. >Und ich kann meine Liebe zu ihr besser unter Kontrolle behalten<, dachte er bei sich.
Das Gericht des Volkes hatte ein zahlreiches und aufmerksames Publikum bekommen. Die Leute strömten herbei: Viele alte Leute waren darunter, die nicht mehr draußen auf
den Feldern arbeiten konnten und nun herkamen, um die Richtsprüche Elias abwechselnd zu beklatschen und auszubuhen; andere waren am Schiedsspruch direkt interessiert, weil er entweder Profit oder einen Verlust für sie bedeutete; auch Frauen und Kinder fanden sich ein, die keine Arbeit hatten und so die Zeit totschlugen.
Elia legte kurz die Fälle dar, die an diesem Morgen anstanden: Der erste Fall war der eines Hirten, der von einem Schatz träumte, welcher in der Nähe der Pyramiden versteckt lag, und der Geld brauchte, um dahin zu gelangen. Elia war nie in Ägypten gewesen, doch er wußte, daß es weit weg lag, und sagte dem Hirten, daß er die Mittel für die Reise kaum zusammenbekommen würde - es sei denn, er verkaufte seine Schafe und bezahlte den Preis für seinen Traum: Dann würde er ganz gewiß finden, was er suchte. Anschließend kam eine Frau, die die magischen Künste Israels lernen wollte. Elia sagte, er sei kein Meister der Magie, sondern nur ein Prophet.
Er war gerade dabei, eine gütliche Lösung für einen Streit zwischen zwei Bauern zu finden, von denen der eine die Frau des anderen verflucht hatte, als ein Soldat sich durch die Menge drängte und sich schweißgebadet an den Stadthauptmann wandte:
»Einer Patrouille ist es gelungen, einen Spion zu fangen«, keuchte der Soldat. »Er wird gerade hierhergeführt.«
Ein Raunen ging durch die Zuschauer. Es war das erste Mal, daß sie einen solchen Prozeß miterleben würden.
»Tötet ihn«, rief jemand. »Tod dem Feind!«
Johlender Beifall von allen Seiten. In Windeseile hatte sich die Nachricht in der ganzen Stadt verbreitet, und alles
strömte auf den Platz. Die nächsten Fälle konnten nicht mehr richtig angehört und behandelt werden. Ständig gab es Zwischenrufe, die forderten, man möge den Fremden sogleich vorführen.
»Über solch einen Fall kann ich nicht richten«, verwahrte sich Elia. »Das ist Sache der Behörden von Akbar.«
»Was wollen die Assyrer hier eigentlich?« rief einer. »Sehen die denn nicht, daß wir hier seit vielen Generationen in Frieden leben?«
»Warum wollen sie unser Wasser haben?« rief ein anderer. »Warum bedrohen sie unsere Stadt?«
Seit Monaten wagte niemand mehr, öffentlich über die Anwesenheit des Feindes zu sprechen. Obwohl alle sahen, wie die Zelte am Horizont immer mehr wurden, obwohl die Kaufleute drängten, die Friedensverhandlungen sofort zu beginnen, weigerte sich das Volk von Akbar zu glauben, daß ihnen eine Invasion drohte. Kriege -
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