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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coelho
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gerettet worden war. Er bemerkte, daß die Menschen jetzt nicht mehr umherliefen, sondern in einer Wolke von Rauch und Staub zwischen den Ruinen umherschlichen, wie lebende Tote, wie vom Himmel vergessene Seelen, die dazu verdammt waren, ewig auf Erden umherzuirren - sinnlos.
    Einige wenige taten etwas. Er hörte die Stimmen der Frauen und einige unklare Befehle der wenigen Soldaten, die das Massaker überlebt hatten und die nur Verwirrung stifteten.
    Die Welt sei der kollektive Traum der Götter, hatte der Priester einmal gesagt. Elia mußte ihm irgendwie recht geben. Doch würde der Priester die Götter aus diesem Alptraum aufwecken, um sie mit einem sanfteren Traum wieder einschlafen zu lassen? Als er selbst nächtliche Visionen hatte, war er immer aufgewacht und dann wieder eingeschlafen, warum sollte es den Göttern da nicht gleich ergehen?
    Immer wieder stolperte er über Leichen. Die waren ihre Steuersorgen los und scherten sich nicht um die Assyrer, die im Tal kampierten, die religiösen Rituale oder das Leben eines umherirrenden Propheten, mit dem sie vielleicht einmal ein paar Worte gewechselt hatten.
    >Ich kann hier nicht die ganze Zeit bleiben. Das Erbe, das sie mir hinterließ, ist dieser Junge, und ich werde mich seiner würdig erweisen, auch wenn dies das letzte ist, was ich auf Erden tue.<
    Mühsam erhob er sich, nahm den Jungen wieder bei der Hand, und sie gingen weiter. Er ertappte Leute dabei, wie sie die Läden und umgestoßenen Marktstände plünderten. Zum ersten Mal nahm er nicht alles gleichgültig hin und bat sie, davon abzulassen.
    Doch die Leute schoben ihn beiseite und sagten:
    »Laß uns in Ruhe, wir essen nur die Brosamen von dem, was der Stadthauptmann übriggelassen hat.«
    Elia hatte nicht die Kraft zum Streiten. Er führte den Jungen aus der Stadt heraus, und sie begannen durch das Tal zu wandern. Die Engel mit ihren Flammenschwertern würden fernbleiben.
    »Vollmond.«
    Fern vom Staub und vom Rauch stand er in der klaren vom Mondschein erleuchteten Nacht. Stunden zuvor, als er die Stadt in Richtung Jerusalem verließ, hatte er sich mühelos zurechtgefunden, und ähnlich war es wohl den Assyrern ergangen.
    Der Junge stolperte über einen Leichnam und schrie auf. Es war der Priester. Er hatte weder Arme noch Beine mehr, doch er lebte noch. Seine Augen starrten auf den Fünften Berg.
    »Wie Ihr seht, haben die phönizischen Götter die himmlische Schlacht gewonnen«, brachte er unter Schwierigkeiten, doch mit ruhiger Stimme hervor. Blut lief ihm aus dem Mund.
    »Laßt mich Eurem Leiden ein Ende bereiten«, entgegnete Elia.
    »Der Schmerz bedeutet nichts angesichts der Freude, meine Pflicht erfüllt zu haben.«
    »War es Eure Pflicht, eine Stadt gerechter Menschen zu zerstören?«
    »Eine Stadt stirbt nicht - nur ihre Bewohner und die Ideen, die sie in sich tragen. Eines Tages werden andere nach Akbar kommen, sein Wasser trinken, und der Stein, den sein Gründer zurückgelassen hat, wird von neuen Priestern blankgerieben werden. Geht, mein Schmerz wird bald zu Ende sein, doch Eure Verzweiflung wird bis an Euer Lebensende dauern.«
    Der verstümmelte Körper atmete schwer, und Elia ließ ihn liegen. Da kam eine Gruppe von Männern und Frauen auf ihn zugelaufen und umringte ihn.
    »Ihr wart es«, schrien sie. »Ihr habt Euer Land entehrt und einen Fluch über unsere Stadt gebracht!«
    »Mögen die Götter dies sehen! Mögen sie wissen, wer der Schuldige ist!«
    Die Männer stießen ihn und schüttelten ihn an den Schultern. Der Junge entwand sich seinen Händen und verschwand. Die Leute schlugen ihm ins Gesicht, auf die Brust, auf den Rücken, doch er dachte nur an den Jungen. Er hatte ihn nicht einmal bei sich behalten können.
    Sie schlugen ihn nicht lange. Vielleicht waren sie von so viel Gewalt müde geworden. Elia fiel zu Boden.
    »Verschwindet von hier!« sagte jemand. »Ihr habt Liebe mit Haß vergolten.«
    Die Gruppe ging von dannen. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich zu erheben. Als er sich von der Schmach erholt hatte, war er nicht mehr derselbe Mann. Er wollte weder sterben noch weiterleben. Er wollte überhaupt nichts: Er hatte keine Liebe, keinen Haß, keinen Glauben.
    Er erwachte, als jemand sein Gesicht berührte. Es war noch dunkel, doch der Mond stand nicht mehr am Himmel.
    »Ich habe meiner Mutter versprochen, mich um dich zu kümmern«, sagte der Junge. »Aber ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Geh in die Stadt zurück. Die Menschen sind gut, und irgend

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