Der Fünfte Elefant
Der letzte Appel ! Es ist fast Teil des Zwergenrechts! Sie können nicht ablehnen. Sie würden praktisch… aufhören, Zwerge zu sein, Herr!«
Mumm sah, wie einer der Zwerge ein aus dünnen Ketten beste-
hendes Taschentuch hervorholte und sich mit leisem Klirren die
Nase putzte. Einige andere brachen in Tränen aus.
Als der letzte Ton verhallte, folgte Stille. Und dann knallten Äxte
auf Schilde.
»Es ist alles in Ordnung!«, sagte Grinsi erleichtert. »Sie applaudieren!«
Sybil schnaufte vor Anstrengung und sah ihren Mann an. Ihr
Gesicht glühte im Fackelschein. »Glaubst du, das war richtig?«,
fragte sie.
»Nach den Geräuschen zu urteilen, bist du jetzt ein Ehren-
zwerg«, erwiderte Mumm. Er bot ihr den Arm. »Gehen wir?«
Die Neuigkeiten eilten ihnen voraus. Zwerge strömten durch den
Zugang zur unterirdischen Stadt, als der Herzog und die Herzogin
eintrafen.
Auch hinter ihnen liefen nun Zwerge. Überal herrschte große
Aufregung. Ständig streckten sich Hände aus, um die Steinsemmel
zu berühren.
Zwerge drängten sich zusammen mit ihnen in den Lift. Unten
wich das Donnern zahlloser Stimmen jäher Stille, als Mumm vor-
trat und die Semmel über den Kopf hob. Eine Sekunde später
erzitterten die Felswände, als unbeschreiblicher Jubel erklang.
Und sie sehen das Ding nicht einmal, dachte Mumm. Für die
meisten von ihnen ist es nur ein kleiner weißer Fleck. Und das
wussten die Verschwörer. Man musste nicht unbedingt etwas steh-
len, um es als Druckmittel zu benutzen.
»Sie müssen sofort verhaftet werden!« Dee eilte herbei, gefolgt
von weiteren Wächtern.
»Noch einmal?«, fragte Mumm. Er hielt die Semmel noch immer
hoch erhoben.
»Du hast versucht, den König zu töten! Und du bist aus der Zel-
le geflohen!«
»Was das angeht, sollten wir vielleicht zusätzliches Beweismateri-
al sammeln«, sagte Mumm so ruhig wie möglich. »Du kannst die
Leute nicht auf Dauer im Dunkeln lassen, Dee.«
»Du wirst auf keinen Fal mit dem König sprechen!«
»Dann lasse ich die Semmel fallen!«
»Und wenn schon! Es spielt keine…«
Mumm hörte, wie die Zwerge hinter ihm nach Luft schnappten.
»Es spielt keine Rol e?«, wiederholte er. »Aber dies ist die Steinsemmel !«
Einer der Zwerge, die sie von der Botschaft hierher begleitet hat-
ten, rief etwas, und mehrere andere stimmten mit ein.
»Die Präzedenzien sind auf deiner Seite«, übersetzte Grinsi. »Sie
sagen, sie könnten dich genauso gut nach deinem Gespräch mit dem König töten.«
»Nun, es ist nicht unbedingt das, was ich mir erhofft habe, aber
es sol te genügen.« Mumm richtete den Blick wieder auf Dee. »Du
hast gesagt, dass ich die Semmel finden soll. Und jetzt bringe ich sie ihrem rechtmäßigen Eigentümer zurück, was mir durchaus angemessen erscheint.«
»Du… der König… Du kannst die Semmel mir geben«, sagte
Dee und zog sich bis zur Höhe von Mumms Brust hoch.
»Kommt nicht in Frage!«, schnappte Lady Sybil. »Als Eisen-
hammer Blutaxt die Semmel zurückbrachte – hätte er sie Slogram
gegeben?«
Köpfe wurden geschüttelt.
»Natürlich nicht«, sagte Dee. »Slogram war ein Verrä…«
Er unterbrach sich.
»Ich glaube«, sagte Mumm, »wir gehen jetzt besser zum König.«
»Das kannst du nicht verlangen!«
Mumm deutete auf die vielen Zwerge hinter ihnen. »Du würdest
dich wundern, wie schwer es sein kann, ihnen das zu erklären«, entgegnete er.
Der König ließ eine halbe Stunde auf sich warten. Er musste ge-
weckt werden und sich ankleiden. Könige beeilten sich nicht.
In der Zwischenzeit saßen Mumm und Sybil im Vorzimmer auf
zu kleinen Stühlen, umgeben von Zwergen, die nicht genau wuss-
ten, ob sie eine Gefangeneneskorte oder eine Ehrengarde waren.
Andere Zwerge sahen zur Tür herein. Mumm hörte das Summen
aufgeregter Konversation.
Man hielt sich nicht damit auf, ihn anzustarren. Die Blicke galten
stets der Semmel. Die meisten von ihnen sahen sie jetzt sicher zum
ersten Mal.
Ihr armen kleinen Kerle, dachte Mumm. An dies hier glaubt ihr
al e, und bevor der heutige Tag zu Ende geht, werdet ihr erfahren,
dass es sich nur um eine schlechte Fälschung handelt. Ihr werdet
es sehen. Und damit wäre eure kleine Welt erledigt. Ich kläre ein Verbrechen auf und begehe gleichzeitig ein noch viel größeres.
Ich kann von Glück sagen, wenn ich diese Sache lebend überste-
he.
Eine Tür wurde geöffnet. Zwei schwere Zwerge – so nannte
Mumm sie in Gedanken – traten ein und
Weitere Kostenlose Bücher