Der Fünfte Elefant
Verdächtigen, sie zu quälen – sie ist das beste
Folterinstrument überhaupt. Und auf diese Weise macht man wei-
ter, bis sie schließlich gestehen, weil sich ihre Stiefel mit Schweiß gefüllt haben.
Und es bleibt nicht einmal eine Narbe zurück.
»Erzähl mir, auf welche Weise Langfinger starb, der Hauptmann
der Kerzen«, sagte der König, als Dees Hände die Steinsemmel
berührten. Im Gesicht des Zwergs zeichnete sich vage Besorgnis
ab.
Die Worte platzten aus ihm heraus. »Oh, es war alles so, wie ich
gesagt habe…«
»Wenn du die Hände nicht weiterhin auf die Semmel presst,
muss ich sie dort befestigen lassen, Dee. Nun, sag es mir noch einmal.«
»Ich… er… hat sich das Leben genommen, Majestät. Wegen der
Schande.«
Der König griff nach seiner Axt und hielt sie so, dass die lange
Spitze nach außen zeigte.
»Wiederhole das bitte.«
Mumm hörte, wie Dee immer schneller atmete.
»Er hat sich das Leben genommen, Majestät!«
Der König sah Mumm an und lächelte. »Es gibt da einen alten
Aberglauben, Euer Exzel enz. Da die Semmel ein Körnchen
Wahrheit enthält, wird sie rot glühen, wenn jemand lügt, der sie
berührt. Natürlich glaubt in der heutigen Zeit niemand mehr dar-
an.« Er wandte sich wieder an Dee.
»Sag es noch einmal«, flüsterte er.
Die Axt bewegte sich ein wenig, und das Licht der Kerzen blitzte
über ihre Klinge.
»Er hat sich das Leben genommen! Wirklich!«
»Oh, ja. Darauf hast du bereits hingewiesen. Danke«, sagte der
König. »Und weißt du noch, Dee, als Slogram Eisenhammer eine
falsche Nachricht schickte und behauptete, Blutaxt sei im Kampf
gestorben, was Eisenhammer veranlasste, aus Kummer Selbstmord
zu begehen… Wer trug die Schuld?«
»Slogram, Herr«, entgegnete Dee sofort. Mumm vermutete, dass
die Antwort direkt aus den Erinnerungen an die Schulzeit stamm-
te.
»Ja.«
Der König ließ dieses eine Wort mehrere Sekunden in der Luft
hängen und fuhr dann fort: »Und wer gab den Befehl, den Hand-
werker in Ankh-Morpork zu töten?«
»Majestät?«, fragte Dee.
»Wer gab den Befehl, den Handwerker in Ankh-Morpork zu tö-
ten?« Der Tonfal des Königs veränderte sich nicht. Er sprach
noch immer mit einer recht angenehm klingenden Singsangstim-
me, als sei er bereit, die letzte Frage bis in alle Ewigkeit zu wiederholen.
»Ich weiß nichts von…«
»Wächter, presst seine Hände fest auf die Semmel.«
Die beiden Wächter traten vor. Jeder von ihnen griff nach einem
Arm.
»Noch einmal, Dee. Wer gab den Befehl?«
Dee wand sich hin und her, als litte er Schmerzen. Vergeblich
versuchte er, die Hände von der Steinsemmel zu lösen.
Aber es ist eine Fälschung, dachte Mumm. Er selbst hat das echte Exemplar zerstört und weiß daher, dass es sich nur um eine Nachbildung handelt. Es ist nur ein Haufen Gips, innen wahrscheinlich
noch feucht. Mumm versuchte, klar zu denken. Die echte Stein-
semmel hatte in der Höhle gelegen, oder? Und wenn nicht… Wo
hatte sie dann gesteckt? Die Werwölfe glaubten, die echte Semmel erbeutet zu haben, und Mumm hatte das Ding nicht aus den Augen gelassen, seit es in seinem Besitz war. Er versuchte, seine Ge-
danken durch den Nebel der Benommenheit zu steuern.
Einmal hatte er sich gefragt, ob die Semmel im Zwergenbrotmu-
seum von Ankh-Morpork das echte Exemplar gewesen war. Das
garantierte ihre Sicherheit. Niemand würde etwas stehlen, das man
für eine Nachbildung hielt. Alles erschien ihm wie die Sache mit
dem Fünften Elefanten. Nichts war das, was es zu sein schien; die
Dinge blieben vage und verschwommen.
Welche Steinsemmel war das Original?
»Wer gab den Befehl, Dee?«, fragte der König.
»Ich nicht! Ich habe betont, es müsste al es Notwendige unter-
nommen werden, um das Geheimnis zu wahren.«
»Wem gegenüber hast du das betont?«
»Ich kann dir die Namen nennen!«
»Später wirst du das, Junge, das garantiere ich dir«, sagte der Kö-
nig. »Und die Werwölfe?«
»Die Baronin hat es vorgeschlagen! Das ist die Wahrheit!«
»Überwald den Werwölfen. Ah, ja… Freude durch Kraft. Ich
nehme an, man hat dir al e möglichen Dinge versprochen. Du
kannst jetzt die Hände von der Semmel nehmen – ich möchte dir
keine weiteren Schmerzen bereiten. Aber warum? Meine Vorgän-
ger lobten dich. Du hast großen Einfluss… Und dann hast du dich
von den Werwölfen benutzen lassen. Warum?«
»Warum sollte man sie damit durchkommen lassen?«, schnappte
Dee. Die Anspannung wurde zu viel
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