Der Fürst der Dunkelheit
Leute so etwas. Manche gingen sogar extra in Bars, um jemanden kennenzulernen.
Doch sie gehörte nicht dazu. Sie hatte sich nicht mehr verabredet, seit … nun ja, nur einmal, seit Ken gestorben war. Und da war sie nicht in der Lage gewesen, auch nur das geringste Interesse an diesem Druckereibesitzer aufzubringen, den Deanna für sie ausgesucht hatte. Sie hatte sich einfach nicht zu ihm hingezogen gefühlt. Vielleicht waren ihre Gefühle damals noch zu roh, der Verlust zu frisch. Ihr Verlobter war tatsächlich ihre große Liebe gewesen. Er hatte sie zum Lächeln und zum Lachen gebracht. Von Anfang an hatte sie sich von ihm angezogen gefühlt. An dem Druckereibesitzer war gar nichts Verkehrtes gewesen. Bloß war er eben nicht Ken. Für sie hatte er schlicht nichts Anziehendes an sich.
Aber dieser Fremde hier, der sie dauernd anstarrte, dieser Mann, den sie überhaupt nicht kannte? Zu
ihm
fühlte sie sich sofort hingezogen.
Ihre eigenen Gedanken brachten sie erst recht zum Erröten. Manche Leute gabeln Fremde in Bars auf.
Sie
nicht, jedenfalls nicht an diesem Punkt in ihrem Leben. Sie war nur wegen Heidi hier.
Sie lächelte. “Ganz ehrlich, ich wollte nicht mit Ihnen zusammenstoßen. Aber jetzt muss ich dringend vorbei.”
“Klar. Entschuldigung.” Er trat zur Seite.
Sie ging an ihm vorbei zu der Tür mit der Aufschrift “Madames”. Sie konnte nicht anders, als sich noch einmal umzudrehen.
Er stand da, beobachtete sie immer noch.
Großartig. Sie wollte bloß mal kurz zur Toilette, und ein gut aussehender, aber möglicherweise völlig durchgeknallter Typ ließ sie nicht aus den Augen.
Sie betrat den Raum, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Kein Schloss, abschließbar waren nur die drei Kabinen.
Ich sollte zurückgehen, damit Heidi oder Deanna mit mir kommen, dachte sie. Ich habe keine Lust, in einem Klo an der Bourbon Street überfallen zu werden.
Das ist doch einfach lächerlich, sagte sie sich. Es ist bloß dieses Unbehagen, das mich nach der Erfahrung im Zelt der Wahrsagerin nicht loslässt. Diese Frau lacht sich wahrscheinlich immer noch schlapp über uns drei. Vermutlich sollten wir Susan beim Tourismusbüro melden. Man stelle sich vor! Die wollte uns Angst einjagen, damit wir sofort die Stadt verlassen. Das kann ja wohl kaum gut fürs Geschäft sein.
Sie öffnete die Tür einen Spalt und linste hinaus.
Der Mann war weg. Sie war erleichtert.
Und gleichzeitig enttäuscht.
Sie stieß einen Seufzer aus und ärgerte sich über sich selbst, weil sie immer noch so nervös war.
Tatsächlich war sie so nervös, dass sie sich viel Zeit ließ, weil sie nicht sofort wieder zurück in diesen Club gehen wollte. Nach dem Händewaschen spritzte sie sich Wasser ins Gesicht und rief sich ins Gedächtnis, dass sie sich vollkommen lächerlich aufführte. Als sie endlich aus der Damentoilette trat, war niemand in dem Gang.
Die Bar war voller geworden, während sie weg war. Als sie sich durch die Menge kämpfte, sah sie Heidi allein an ihrem Tisch. Deanna, bemerkte sie, war an der Bar und schwatzte mit einem großen, dunkelhaarigen Mann. Sie verzog das Gesicht. Ihr Herz setzte einen Moment aus. War das derselbe Mann?
Nein, außer er hatte inzwischen das Hemd gewechselt. Der Mann in dem Gang hatte ein Maßhemd getragen; dieser hier war lässiger gekleidet.
Sie ging zur Bar. Deanna hatte heute Nacht definitiv wesentlich mehr getrunken als sie selbst, und sie wollte lieber nicht, dass ein Fremder ihrer Freundin in diesem Zustand zu nahekam.
Obwohl, Deanna war ja nicht diejenige, die heiraten wollte. Sie konnte so viel flirten, wie sie wollte.
Lauren dachte, dass sie sich heute Nacht anscheinend um alles und nichts Sorgen machte. Als sie sich der Bar näherte, drehte sich der Mann um und ging raus auf die Straße.
“Hallo”, sagte Deanna. “Ihre Majestät wollte noch ein paar Kirschen für ihren Drink”, grinste sie.
Lauren zwang sich, das Lächeln zu erwidern. So betrunken schien Deanna doch nicht zu sein, dachte sie. Tatsächlich war sie eher angenehm beschwipst.
“Cool”, kommentierte Lauren und fragte: “Wer war denn das?”
“Wer?” Deanna schnitt eine Grimasse und strich eine Locke ihres langen dunklen Haars zurück.
“Der Typ, der eben hier stand.”
“Ach so. Bloß irgendein Typ.”
“Süß?”
“Ja, irgendwie schon.”
“Und?”
“Ich hab ihm erzählt, dass ich mit Freundinnen unterwegs bin.” Sie lachte. “Ich bin ein großes Mädchen, um mich brauchst du
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