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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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ID-Gerät gezückt. Ein anderes Mal öffnete sich plötzlich das Tor eines Rekrutierungsbüros vom Heimatschutz, während Tabea in der Nähe auf einer Steinmauer saß und ihre mitgebrachten Süßigkeiten aß. Zwei Jeeps, die mit Bewaffneten besetzt waren, rasten auf sie zu und schienen mit quietschenden Reifen gleich bei ihr abzubremsen, aber in Wirklichkeit mussten sie nur fünf Meter weiter um eine recht enge Kurve. Noch Minuten, nachdem sie davongebraust waren, ging Tabeas Puls rasend schnell.
    Sie war schon bereit, die Botschaft des Fremden für eine besonders fiese illegale Werbestrategie zu halten. Wahrscheinlich, dachte sie, sind das nur üble Typen, die den Zombies Angst einjagen, um ihnen für irgendwelche Wundermittelchen Unsummen abzuknöpfen.
    Dann geriet sie bei ihren Recherchen in die »Grube«. So hieß die Gegend, wo früher die Bergarbeiter gewohnt hatten und heute die verfallenden Reste von Zuliefererbetrieben, Lagerhallen und Mietskasernen ihrem Abriss entgegenbröselten. Die Polizei patrouillierte dort entweder zu selten oder kam gleich in Hundertschaftsstärke, manchmal gab es dort Krach mit Illegalen und Außenseitern, die nirgendwo sonst wohnen konnten als dort: Trinker, Verstörte, Aufgegebene, der Rest. Seltsamerweise fühlte sie sich zwischen all den menschlichen und architektonischen Ruinen in der Grube durchaus wohl. Nach dem Vorfall mit dem Polizisten und den Jeeps hielt sie sich für ein wenig schlauer, so leicht wollte sie sich jetzt nicht mehr beeindrucken lassen. Auch als sie im spiegelnden Schaufenster eines der wenigen Geschäfte, die es hier gab, drei Armeelaster in die Hofeinfahrt gegenüber hineinrumpeln sah, war sie zunächst nur neugierig. Das Gebäude, auf dessen Hof sie gekurvt waren, war nicht militärisch gekennzeichnet, es stand nur grau und stumm da wie alle anderen Häuser in der Straße. Zwar sagte eine kaum vernehmliche Stimme in ihrem Hinterkopf: »Hau ab!«, aber Ta-bea schob ihr Rollerbike trotzdem auf die andere Straßenseite. Dann rollte sie vorsichtig an die Toreinfahrt heran und spähte durch das nicht ganz geschlossene Tor. Sie ahnte, dass das verboten war, konnte aber ihre Neugier nicht zügeln. Die Laderampe eines der Laster war sichtbar, daneben zwei EuroForce-Soldaten in ihren Tarnanzügen. Ein Mann wurde von der Rampe heruntergestoßen und fiel zu Boden. Tabea wollte in den Hof laufen, um ihm aufzuhelfen, hielt aber aus Angst still. Der Mann hatte sich noch nicht wieder hochgerappelt – die Soldaten machten keinen Finger krumm, um ihm zu helfen –, da kam schon ein zweiter über die Rampe getorkelt, versuchte vergeblich, sein Gleichgewicht wiederzufinden und stürzte schließlich. Dann kamen zwei weitere Männer, gefolgt von einer Frau. Sie schrie im Fallen, und als sie versuchte, sich wiederaufzurichten, schlug ihr einer der beiden Soldaten den Gewehrkolben in den Bauch, dass sie zusammenklappte wie ein nasser Sack.
    »Wer hat denn da das Tor nicht richtig…«, brüllte jemand ganz in Tabeas Nähe, vielleicht zwei oder drei Meter entfernt. Tabea erwachte aus ihrer Starre.
    »Hey!«, ertönte ein Schrei in ihrem Rücken, aber sie drehte sich nicht um und raste los. Motoren wurden hinter ihr angelassen, Hunde gingen von der Kette, ein Kugelblitz stieg über dem Hof auf, aber als sie zweimal um die Ecke gebogen und in eine Straße geraten war, so eng, schäbig und dunkel, dass kein Armeelaster hindurchkam, da merkte sie: Niemand folgte ihr, keine Hunde, kein Kugelblitz. Sie war allein. Und als ihr endlich dämmerte, was all die Leute, die von der Lasterrampe gestoßen worden waren, gemeinsam hatten, kotzte sie aus Furcht, Ekel und Erschöpfung in eine Ecke. Die Opfer hatten grünweiße Armbinden getragen. Und die Soldaten hatten sie behandelt wie Schlachtvieh. Es war ein weiter Weg nach Hause, aber sie sah nichts und fühlte nichts. Alles, was sie denken konnte, war: Zwei und zwei gibt vier. Sie hatte die Misshandlung von Zombies beobachtet, der Fremde in dem Intro hatte behauptet, sie würden getötet, es passte zu gut. Zwei plus zwei gleich vier. Tabeas Bike fuhr wie von alleine, sie überließ sich ganz ihrem Elend. Sie stellte sich blutbespritzte Wände vor und Massengräber; so was gab es in Filmen, sie fühlte sich wie in einem Film. Immer wieder sah sie die Kunstmutter vor sich: die dunklen Haare, ihren Sturz, das Geschrei, den Gewehrkolben. Das konnte doch nicht wahr sein! Vielleicht waren die Gefangenen Verbrecher gewesen oder es wurde da gerade

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