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Der Fürst des Nebels

Der Fürst des Nebels

Titel: Der Fürst des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Rauchwolke mit süßlichem Duft erfüllte den Raum. Victor Kray sog langsam einen Zug des vorzüglichen dunklen Tabaks ein und entspannte sich in seinem Lehnstuhl. Dann begann er zu sprechen...
    »In diesem Herbst werde ich zweiundsiebzig Jahre alt, und wenn mir auch der Trost bleibt, daß ich nicht so alt aussehe, wie ich bin, wiegt doch jedes dieser Jahre schwer wie eine Steinplatte auf meinem Rücken. Das Alter läßt einen gewisse Dinge sehen. Zum Beispiel weiß ich jetzt, daß das Leben eines Menschen sich grundsätzlich in drei Zeitabschnitte unterteilt. Im ersten denkt man nicht einmal daran, daß man älter werden wird, man denkt nicht daran, daß die Zeit vergeht und daß wir vom ersten Tag an, wenn wir geboren werden, einem einzigen Ziel entgegengehen. Wenn die erste Jugendzeit vorüber
    ist, beginnt der zweite Zeitabschnitt, in dem man begreift, wie vergänglich das eigene Leben ist. Was zu Beginn eine einfache Unruhe ist, wächst im Inneren wie ein Meer aus Zweifeln und Ängsten, die einen für den Rest der Tage begleiten. Schließlich, am Ende des Lebens, öffnet sich der dritte Zeitabschnitt, das Annehmen der Wirklichkeit und folglich die Resignation und das Warten. Im Laufe meines Lebens habe ich jedoch Menschen kennengelernt, die in einer dieser Entwicklungsstufen steckengeblieben waren und denen es niemals gelang, sie zu überwinden. Das ist etwas Schreckliches.«
    Victor Kray sah, daß Roland. Max und Alicia ihm aufmerksam lauschten, doch sie schienen nicht zu begreifen, wovon er sprach. Er hielt inne, um einen Zug seiner Pfeife zu genießen, und lächelte sein kleines Publikum an.
    »Das ist ein Weg, den jeder einzelne von uns alleine gehen muß, und Gott möge ihm helfen, daß er nicht auf Abwege gerät, bevor er das Ziel erreicht. Wenn wir alle zu Beginn unseres Lebens fähig wären, das zu verstehen, was später so einfach zu sein scheint, würde ein großer Teil des Unglücks und der Leiden auf dieser Welt niemals entstehen. Doch diese Gnade wird uns erst dann zuteil, wenn es schon allzu spät ist. Ende der Lehrstunde.
    Ihr werdet euch fragen, warum ich euch das alles erzähle. Ich will es euch sagen. Manchmal, einmal von Millionen Malen, geschieht es, daß jemand in ganz jungen Jahren erkennt, daß das Leben ein Weg ohne Umkehr, ist, und beschließt, dieses Spiel nicht mitzuspielen. Das ist, wie wenn du beschließt, bei einem Spiel zu schwindeln, weil es dir keinen Spaß macht. Meistens wirst du dabei entdeckt, und der Schwindel fliegt auf. Aber manchmal setzt der Falschspieler seinen Willen durch. Und wenn er, statt mit Würfeln oder Karten zu spielen, mit dem Leben und dem Tod spielt, dann verwandelt sich dieser Falschspieler in jemand sehr gefährlichen.
    Vor langer Zeit, als ich so alt war wie ihr, kreuzte sich mein Lebensweg mit einem der größten Falschspieler, die es je auf dieser Welt gegeben hat. Es ist mir niemals gelungen, seinen richtigen Namen zu erfahren. In dem Armenviertel, in dem ich lebte, kannten ihn alle Kinder auf der Straße nur als Cain. Andere nannten ihn den Fürst des Nebels, weil er, nach dem, was man sich so erzählte, immer aus einem dichten Nebel aufzutauchen schien, der die nächtlichen Gassen bedeckte, und vor Tagesanbruch erneut in der Dunkelheit verschwand.
    Cain war ein junger und schöner Mann, dessen Herkunft niemand zu erklären wußte. Jede Nacht versammelte er in einer der Gassen des Viertels die zerlumpten, von Schmutz und Ruß bedeckten Jungen aus den Fabriken und bot ihnen einen Pakt an. Jeder von ihnen konnte einen Wunsch aussprechen, und Cain versprach, ihn in Wirklichkeit zu verwandeln. Dafür verlangte er nur eine Sache: die absolute Ergebenheit. Eines Nachts nahm mich Angus, mein bester Freund, zu einer dieser Versammlungen von Cain und den Kindern des Viertels mit. Cain war wie ein vornehmer Edelmann gekleidet, der gerade der Oper entsprungen war, und lächelte immerzu. Seine Augen schienen im Halbdunkel die Farbe zu wechseln, und seine Stimme war ernst und ruhig. Den Kindern zufolge war Cain ein Magier. Ich, der ich nicht ein einziges Wort von all diesen Geschichten geglaubt hatte, die über ihn im Viertel in Umlauf waren, kam in dieser Nacht mit dem festen Entschluß, mich über den vorgeblichen Magier lustig zu machen. Doch ich erinnere mich, daß sich in seiner Gegenwart jeder Anflug von Spott in Luft auflöste. Als ich ihn sah, war Angst das einzige, was ich spürte, und natürlich hütete ich mich, auch nur ein Wort zu sagen. In dieser

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