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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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irgendeinem unglücklichen säumigen Zahler geben, aber meine Arterien wären trotzdem sklerotisch. Und selbst wenn ihr die austauschen könntet, ohne mich zu töten, hätte ich immer noch eine defekte Leber, vernarbte Lungen, versagende Drüsen. Und selbst wenn ihr mir einen neuen Körper geben würdet, könntet ihr mir nicht helfen, weil tief unten, wohin eure Messer nicht reichen, wo eure Instrumente nicht zu messen vermögen, mein Ich liegt, das nicht mehr wiederherzustellen ist.«
    Als Leah Flowers wieder das Gesicht zuwandte, sah er erschrocken, daß aus den blinden Augen Tränen liefen.
    »Können Sie denn nichts tun?« Ihre Stimme brach. »Taugen Sie denn zu gar nichts?«
    »Leah!« flüsterte der alte Mann mahnend.
    »Das würde eine unlöschbare Aufzeichnung in den Geräten der Ambulanz hinterlassen«, erklärte Flowers. »Das kann ich mir nicht leisten und ihr auch nicht.«
    Sie preßte ihre Stirn wild an den Handrücken des Alten.
    »Ich kann es nicht ertragen, Russ. Ich kann es nicht ertragen, dich zu verlieren.«
    »Für einen Mann, der seine Generation, fast seine eigene Ära überlebt hat, ist jede Träne Verschwendung«, sagte Russ. Er lächelte Flowers an; es war beinahe wie ein Segen.
    »Ich bin einhundertfünfundzwanzig Jahre alt. Das ist eine lange, lange Zeit.«
    Leah erhob sich zornig. »Es muß doch etwas geben, was Sie tun können – bei all eurem großartigen Wissen, den teuren Geräten, die wir euch gekauft haben!«
    »Da wäre nur das Elixier«, sagte er gedankenlos.
    Russ lächelte wieder. »Ah ja – das Elixier. Ich hatte es beinahe vergessen. Elixier vitae.«
    »Würde es helfen?« fragte Leah.
    »Nein«, sagte Flowers fest.
    Er hatte schon zuviel gesagt. Laien konnten mit medizinischen Informationen nichts anfangen; sie verwirrten sie nur und verwischten das medizinische Bild. Was der Patient mehr als alles andere brauchte, war nicht das Verständnis seines Zustands, sondern uneingeschränktes Zutrauen zu seinem Arzt. Wenn jegliche Art von Behandlung vertraut ist, wirkt keine mehr. Es ist besser für die Medizin, Zauberei zu sein, als etwas Alltägliches.
    Außerdem war das Elixier immer noch nicht mehr als eine Laboratoriumserscheinung. Vielleicht würde es niemals mehr sein. Es handelte sich um eine Synthese eines seltenen Blutproteins – eines Gammaglobulins –, das im Blut von einer Handvoll Personen entdeckt worden war. Dieses Protein, dieser Immunitätsfaktor, schien seine Immunität weiter zu vermitteln, als sei der Tod selbst nicht mehr als eine Krankheit …
    »Ein außerordentlich komplizierter Prozeß«, sagte er. »Die Herstellung kostet mehr, als sich aufbringen läßt.« Er wandte sich Russ zu und sagte anklagend: »Ich kann nicht verstehen, warum Sie ihr nicht neue Hornhäute haben einpflanzen lassen.«
    »Ich könnte keinem Menschen das Sehvermögen wegnehmen«, sagte Leah leise.
    »Es gibt ja auch Unfalltote«, meinte Flowers.
    »Wie wollen Sie das unterscheiden?«
    »Wollen Sie nicht, daß sie sieht?« fuhr Flowers Russ an.
    »Wenn das Wollen genügt hätte«, flüsterte der Alte, »hätte sie meine Augen vor vielen Jahren bekommen können, aber die Kosten, mein Junge. Immer wieder läuft es darauf hinaus.«
    Flowers wandte sich zum Gehen.
    »Warte, mein Junge«, flüsterte Russ. »Komm her.«
    Flowers wandte sich um und ging zum Sofa; er sah auf Leah hinunter, dann auf Russ. Der alte Mann streckte ihm die Hand entgegen, mit der Handfläche nach oben. Automatisch gab ihm Flowers seine Hand. Als sich die Hände berührten, fühlte Flowers eine seltsame elektrische Empfindung, als sei ein Nerv angeregt worden, eine Botschaft über seinen Arm zu seinem Gehirn zu senden und eine Antwort zurückzubringen.
    Russ’ Hand sank zurück.
    »Ein guter Mann, Leah. Verwirrt, aber ehrlich. Wir könnten einen schlechteren finden.«
    »Nein«, sagte Leah fest. »Er darf nicht mehr hierherkommen. Es wäre nicht klug.«
    »Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, meinte Flowers. Er würde nicht zurückkommen. Er hatte solche Gefühle nicht mehr empfunden, seit ihm in seiner Jugend sein Vater von der Medizin erzählt hatte.
    »Wenn Sie einmal Zeit haben«, sagte Russ mit schwacher Stimme, »könnten Sie über eine Schlußfolgerung nachdenken, zu der ich vor vielen Jahren gelangt bin: es gibt zu viele Ärzte und nicht genug Heilende.«
    Leah erhob sich graziös vom Boden. »Ich bringe Sie zur Tür.«
    Die unbewußte Verwendung dieser Phrase schnürte Flowers vor Mitleid die Kehle

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