Der Gang vor die Hunde (German Edition)
gut«, sagte Fabian. »Aber du sollst nicht so viel Geld für mich ausgeben.«
»Quatsch mit Sauce«, sagte die Mutter und legte die Eßwaren auf einen Teller. »Sie mag uns ein bißchen Tee kochen, deine Gnädige. Ich hab’s ihr schon erzählt. Morgen abend fahre ich zurück. Ich bin mit dem Personenzug gekommen. Die Zeit verging schnell. Ein Kind war im Abteil. Wir haben viel gelacht. Was macht dein Herz? Du rauchst zu viel! Überall stehen leere Zigarettenschachteln herum.«
Fabian sah der Mutter zu. Sie hantierte vor lauter Rührung wie ein Gendarm.
»Ich mußte gestern daran denken«, sagte er, »wie das damals war, als ich im Internat steckte, und du warst krank, und ich rannte abends davon, über den Exerzierplatz, nur um zu sehen, wie es dir ginge. Einmal, das weiß ich noch, schobst du einen Stuhl vor dir her und stütztest dich darauf, sonst hättest du mir gar nicht öffnen können.«
»Du hast viel durchgemacht mit deiner Mutter«, sagte sie. »Man müßte sich öfter sehen. Wie geht’s in der Fabrik?«
»Ich habe ihnen ein Preisausschreiben vorgeschlagen. Daran können sie eine Viertelmillion verdienen.«
»Für zweihundertsiebzig Mark im Monat, diese Bande.« Die Mutter war empört. Dann klopfte es. Frau Hohlfeld brachte den Tee, stellte das Tablett auf den Tisch und sagte: »Ihr Onkel ist schon wieder da.«
»Dein Onkel?« fragte die Mutter erstaunt.
»Ich habe mich auch schon gewundert«, erklärte die Wirtin.
»Hoffentlich haben Sie sich dabei keinen Schaden getan, gnädige Frau«, erwiderte Fabian, und Frau Hohlfeld entfernte sich gekränkt. Fabian holte den Erfinder ins Zimmer und sagte: »Mama, das ist ein alter Freund von mir. Er hat gestern auf dem Sofa geschlafen, und ich habe ihn zu meinem Onkel ernannt, um das Verfahren abzukürzen.« Er wandte sich an den Erfinder. »Das ist meine Mutter, lieber Onkel. Die beste Frau des Jahrhunderts. Nehmen Sie Platz. Aus dem Sofa wird heute freilich nichts. Aber ich möchte Sie für morgen einladen, wenn es Ihnen recht ist.«
Der alte Herr setzte sich, hustete, stülpte den Hut auf den Schirmknauf und drückte Fabian ein Kuvert in die Hand. »Stekken Sie das rasch ein«, bat er. »Es ist meine Maschine. Man ist hinter mir her. Meine Familie will mich wieder einmal ins Irrenhaus bringen. Sie hofft wahrscheinlich, mir dabei die Notizen abzujagen und zu Geld zu machen.«
Fabian steckte den Briefumschlag ein. »Man will Sie ins Irrenhaus sperren?«
»Ich habe nichts dagegen«, bemerkte der Alte. »Man hat seine Ruhe dort. Der Park ist wundervoll. Der leitende Arzt ist ein erträglicher Kerl, selber bißchen verrückt und spielt ausgezeichnet Schach. Ich war schon zweimal dort. Wenn mir’s zu dumm wird, rück ich wieder aus. Entschuldigen Sie, meine Dame«, sagte er zu der Mutter. »Ich mache Ihnen Ungelegenheiten. Erschrecken Sie nicht, wenn man mich abholt. Es wird gleich klingeln. Ich bin soweit. Die Papiere sind gut aufgehoben. Verrückt bin ich übrigens nicht, ich bin meinen werten Angehörigen eher zu vernünftig. Lieber Freund, falls Sie Ihre Adresse ändern sollten, schreiben Sie mir ein paar Zeilen nach Burgendorf in die Heilanstalt.«
Es klingelte.
»Da sind sie schon«, rief der Alte.
Frau Hohlfeld ließ zwei Herren eintreten.
»Ich bitte die Störung zu entschuldigen«, sagte der eine und verbeugte sich. »Vollmachten, die Sie gern einsehen können, veranlassen mich, Herrn Professor Kollrepp aus Ihrem Kreise zu entfernen. Unten wartet mein Auto.«
»Wozu die Umstände, lieber Sanitätsrat? Sie sind dünner geworden. Ich merkte es schon gestern, daß ihr mir auf der Spur wart. Tag, Winkler. Da wollen wir mal in Ihren Wagen klettern. Wie geht’s meiner lieben Familie?«
Der Arzt hob die Schultern.
Der Alte ging zum Schrank hinüber, öffnete ihn, sah hinein und schloß die Tür wieder. Dann trat er zu Fabian und nahm dessen Hand. »Ich danke Ihnen sehr.« Er schritt zur Tür. »Sie haben einen guten Sohn«, sagte er zu der alten Frau. »Das kann nicht jeder von sich behaupten.« Dann verließ er das Zimmer. Der Arzt und der Wärter folgten ihm. Fabian und seine Mutter blickten durchs Fenster. Ein Auto stand vor dem Haus. Die drei Männer traten aus der Tür. Der Schofför half dem alten Erfinder in einen Staubmantel. Die Pelerine wurde verstaut.
»Ein komischer Mann«, sagte die Mutter, »aber verrückt ist er nicht.« Das Auto fuhr davon. »Warum sah er eigentlich in den Schrank?«
»Ich habe ihn heute früh in den Schrank
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