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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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McCarthy dich auf dem Kieker hatte.«
    »Moe Fishkin ist zur Armee gegangen, der hat’s sich leichtgemacht. Ich bin standhaft geblieben.« In seinem Zustand wurde alles zur Zote. Der titanische Lincoln-Kopf schwebte über ihnen in der Luft, als würde er von seinem Zwilling magnetisch angezogen. Lenny kam sich groß und unmenschlich vor, auch verkleidet gefährlich sichtbar.
    »Und während dein ganzes Leben im Zeitraffer vor deinem inneren Auge vorbeizieht, machst du dich noch einmal an dein altes Unterfangen, mich vor den Augen meines Ehemannes zu vergewaltigen.«
    »Komm mir doch nicht mit dieser bürgerlichen Ausdrucksweise. Wir stehlen uns davon und klettern bei der Volksfeuerwache eine Stange hoch; die dürfte jetzt ja verwaist sein.«
    »Ich wollte dir einen Feiertagsjoint anbieten, aber so langsam krieg ich Angst vor dir.«
    »Gib her, ich brauch alles Rauschgift, was ich kriegen kann. Besonderseine von deinen Lippen befeuchtete Zigarette, was mir wohl nie vergönnt sein wird.«
    »Lenny. Spiel hier nicht verrückt.«
    »Ich fass dich auch nicht an, Mim, versprochen. Ich flehe dich an, ich stehe am Abgrund, ich werd verrückt vor Verzweiflung. Lass mich mitkiffen.«
    Miriam hatte sowieso einen Joint gebaut und ihn nur aufgezogen. Jetzt beugte sie sich darüber, schirmte die Feuerzeugflamme mit dem Körper ab, direkt vor dem Jungen und den Cops und dem schwarzen Streber und den bärtigen Ballerinen und dem Typ, der als lila Flunder verkleidet war, aber in einer Stadt, in der sich alte Ordnungen durch Prunk, Bankrott und Wahnsinn auf lösten, standen sie heute Abend genau im Zentrum der Gesetzlosigkeit, jede Sekunde fluteten neue Freaks in diese Zone herein, Puertoricaner in Zoot Suits und mit Irokesen, ein Typ in einem unfassbaren Planierraupenkostüm – eine Planierraupe mit Eyeliner, denn Eyeliner durfte man nie vergessen –, in einer Stadt, die selber Amok lief, interessierte niemanden ein Joint in der Öffentlichkeit. Das Witzige war, falls die Wichte, die Lenny auf den Fersen waren, in ihren Klamotten aus den Außenbezirken in diesem Getümmel auftauchten, in ihren Members-Only-Jacken und den Entenarschfrisuren wie frisch aus der Zeitmaschine geschlüpft, dann waren sie die Freaks. Sie würden hier hervorstechen wie von Scheinwerfern angestrahlt. Mim gab den Joint als erstes an Cicero weiter, und der Princeton-Student inhalierte kräftig, was Anerkennung verdiente. Vielleicht sorgten die Hippies ja doch noch dafür, dass er sich locker machte. Cicero blickte finster und konzentriert, Wangen und Augen wie bei einem Kugelfisch gewölbt, und gab ihn weiter. Lenny nahm ihn und hatte gerade noch Zeit, seine Lungen bis zum Zwerchfell hinab und bis in die letzten Bronchiolen mit Rauch zu fluten, bevor er verstand, dass seine Vision von Members Only und Entenärschen keine Vorahnung gewesen war, sondern nur vorbewusst: Sein geistiges Auge hatte die Wichte nicht heraufbeschworen, sondern sie aus dem Augenwinkel erblickt, durch die haarbreiten Öffnungen inden Scheuklappen seines Barts. Er versuchte erfolglos, die Stimme zu erheben, und hustete stattdessen nur krampfhaft, was in einer Kakophonie von Frohsinn, Geschnatter und der von einer Blaskapelle getröteten Version von »Macho Man« unterging, außerdem ratterte ihm das Blut in den Ohren wie eine Rechenmaschine. Seine Arme wurden hinter den Rücken gebogen, ein angewinkelter Ellbogen drückte ihm die Luftröhre zu, Lenny war zur Stummheit verurteilt und strandete auf dem Straßenpflaster unter dem flatternden Schatten seines Doppelgängers, der jetzt als schwermütige Seele in den Himmel aufzusteigen schien. Miriam hatte er aus den Augen verloren. Ganz zu schweigen von dem Sandinistenvater und den Jungen mit den Stierhörnern. Als letztes sah er Cicero, der ihn mit hilf loser Schwerfälligkeit anstarrte. Ein Körper wie ein Leibwächter, aber jedes Fitzelchen an Willenskraft im Schädel hinter den Augen eingesperrt. Die Halloween-Parade hatte angefangen. Der kleinere Lincoln wurde in die entgegengesetzte Richtung verschleppt.
    —
    Der Letzte Kommunist träumt. Im Traum geht es um eine Fußnote, eine neue Fußnote, die er in seine Monographie einfügen wird: Quarter Eagles von 1841 für Sammler und Zahlungsverkehr. Ein Einwand. Seine fünf Jahre lang andauernden Belästigungen aller Art haben endlich Früchte getragen, und der Verlag der New York Numismatics Society hat sich bereit erklärt, eine zweite Auflage seines Buchs zu drucken, auch um unzählige

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