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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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Befriedigung von Albert Zimmers Versuchsballon der Jersey Homesteads werden.
    Vielleicht waren die Gardens und die Homesteads ein und derselbe Ort, nur umgekrempelt wie eine Socke.
    In New Jersey drängten sich die flachen Betonbunker zusammen, umgeben von Straßen, Feldern und Wäldern, und die weiten Grünflächen miniaturisierten den hingetupften Zivilisationsversuch, ließen ihn mickrig und prekär erscheinen.
    In Queens umfassten die Einfamilienhäuser die Gemeinschaftsgärten, deren erdige Gemüsebeete Lippenbekenntnisse zum Theater der Urbanität ablegten. Sie boten auch einen hübschen Hauch der Exklusivität, der gesellschaftlichen Arriviertheit. Die Gardens waren zur Hälfte eine kropotkinsche Kommune und zur Hälfte Gramercy Park. Genau wie ihre Ehe, auch wenn ihr alberner Albert sich für etwas anderes als einen Aristokraten gehalten hatte!
    Was war also, wenn Rose Alberts Parteikarriere auf einen Schlag zerstört hatte? Zerstört insofern, als er sich nicht der Parteizelle, sondern Roses Diktat gebeugt und sich somit als schwach oder unzuverlässig erwiesen hatte (als hätte er sich als etwas anderes erwiesen, wenn er sich ihnen gebeugt hätte!). Sie erfuhren besser, was Rose schonwusste. Wie auch immer, Rose war klar, dass sie seine Karriere gleichermaßen gerettet und zerstört hatte, indem sie seinem Treiben durch die Parteiränge von Manhattan ein Ende gemacht hatte, wo sich die Parteikader noch eine Ewigkeit lang hätten einreden können, dieser Mann mit seinen blumigen Reden, den Manschettenknöpfen und Almas Apartment – mitsamt Granitaschenbecher und Meißner Porzellan – hätte entweder Geld oder großen Einfluss und könnte beides für die gerechte Sache verwenden. Er hatte keins von beidem. Rose war die Stärkere von ihnen, egal welchen Phantasien von Albert sich ihre Zelle hingab. In Sunnyside konnte sie vielleicht etwas bewirken.
    Also Sunnyside. Ende desselben Julis war das beschlossene Sache. Mit Hilfe von Sol Eaglin, einem Parteimann, der einen Fuß in der Tür hatte, hatten sie Mitte August einen Mietvertrag für ein Häuschen in der 46th Street. Alberts neuer Autoführerschein grub sich sicherheitshalber in die Tiefen seiner Brieftasche ein, bevor er jemals seine Ledersohlen in die Nähe des gusseisernen Gaspedals eines John-Deere-Traktors setzte.
    Die Utopie erwies sich als noch besser, wenn sie mit einem U-Bahnhof versehen war, so dass man für fünf Cent in die Wirklichkeit zurückscheppern konnte.
    Der Zeitpunkt? Eine grandiose Katastrophe der Ironie. Rose, Albert und das imaginäre Baby zogen an demselben Tag in die Wohnung ein, an dem der Hitler-Stalin-Pakt verkündet und die Volksfront mit einem Federstrich erledigt war.
    Rose und Albert im Rachen der Geschichte, hin- und hergeworfen wie eine Maus von einer Katze.
    —
    Als die heikle Rhetorik der Volksfront durch den Pakt über Nacht auseinandergenommen wurde, warf der Krieg das Leben einer rekrutierenden Kommunistin in Sunnyside genauso über den Haufen wie überall sonst auch. Nur zu, verkauft Hitler dem typischen Sympathisanten,der, vom Antifaschismus beflügelt, auf Zehenspitzen in die Partei geschlichen ist. Und am Tag darauf seine Pamphlete zerriss, als er von Stalins Kehrtwende und seiner opportunistischen Umarmung der Nazis hörte. Europa schmolz in einem Regen der Alpträume und diktierte, dass junge Männer als Soldaten an echte Fronten zogen. Und dass Rote wieder Juden wurden.
    Der solcherart isolierte Albert konnte sich für das Leben in den Gardens nie erwärmen. Machte sich praktisch sofort aus dem Staub und kehrte mit der Hochbahn in sein altes Leben zurück. Beging dort seine diversen unsagbaren Vergehen, die Vergehen eines Deutschen mit einem saftigen deutschen Akzent, der aus einer unglücklichen Ehe in die Bars von Manhattan ausriss.
    »Feind hört mit«, hieß es. Na, das galt nicht nur für die Navy, sondern auch für den amerikanischen Kommunismus.
    Rose saß derweil fest. Wer hätte gedacht, dass aus der Stärke eines Nein zu New Jersey vier Jahrzehnte und mehr werden würden? Rose Angrush Zimmer hatte sich aus der Orgelpfeifenreihe der Schwestern, die sich im Hinterzimmer eines Süßigkeitenladens in Brooklyn stritten, herauskatapultiert, aber wohl kaum im Sinn gehabt, sich durch die Ehe mit Albert zu einem Schicksal in diesem Außenbezirk zu verdammen. Doch verschanzt hinter dem umfassenden Nein von Queens, lebte sie ihr Leben.
    Nachdem Albert ins Exil gegangen war, kamen seine Briefe – nicht

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