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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wie nötig – die einzige Schule, auf die ich gern gehen würde, ist eine Kosmetikschule.»
    «Was würdest du dort denn lernen? Wie du jemanden mit Kajal anmalst?»
    «Da lernt man alles – Make-up, Frisieren, Hennamalerei, Haarentfernung.»
    «Und wie soll dir das helfen?»
    Nurto wirft ihr einen Blick zu, als wäre Kawsar blind. «Ich könnte ein eigenes Geschäft aufmachen!»
    «Sind die Leute wirklich bereit, jemanden zu bezahlen, damit der ihnen Lippenstift aufs Gesicht schmiert?»
    «Bei Hochzeiten und so geht man zur Kosmetikerin.»
    «Die Zeiten haben sich wahrlich geändert.»
    «Das haben sie», bekräftigt Nurto.
    «Und damit könntest du dir deinen Lebensunterhalt verdienen?»
    «Ich glaub schon.»
    «Du willst also auf diese Kosmetikschule gehen?»
    «Wenn das geht …»
    «Dann solltest du dich einschreiben, ich zahle das Schulgeld.»
    «Wallahi?»
    «Ja.»
    Nurto springt auf und küsst Kawsar auf die Stirn. «Dich hat Gott geschickt.»
    Verlegen schließt Kawsar die Augen, die Küsse bringen ihre Haut zum Singen.
    Draußen scheint hell der Vollmond, beleuchtet die Nachbarschaft wie ein Scheinwerfer, und in den Bäumen raschelt der Wind. Kawsar liegt mit offenen Augen da, ihr eigenes Lachen hat sie geweckt; ihre Gefühle im Traum sind immer ganz real, aber sie kann sich nie an den Inhalt erinnern. Die Bilder sehen so verschwommen und künstlich aus wie alte Filme, die Radio Hargeisa an längst vergangenen Sommerabenden unter freiem Himmel vorzuführen pflegte. Sie sind verwaschen und wacklig, die Stimmen mal leiser, mal lauter, als sprächen Menschen, die in der Luft ertrinken.
    Der Raum glitzert. Ein Mädchen, das Nurto in Größe und Aussehen gleicht, aber so geschwind wie ein Sandteufel ist, kam vorbeigefegt, in jeder der acht Hände einen Lappen, und hat kein einziges Staubkorn und kein loses Haar übersehen. Die Laken sind anständig gewaschen und ordentlich auf einem Stuhl gestapelt, alle schmutzigen Tassen und Gläser eingesammelt worden, der Dreck, der sich in jeder Ritze eingenistet hat, ist herausgebürstet worden, von den Fensterbänken sind die toten Fliegen und Moskitos gefegt worden, der Boden ist mit Dettol geschrubbt, die Glühbirne poliert, bis das Glas glänzt. Jede Oberfläche klirrt vor längst vergessener Sauberkeit. Die Luft in ihrer Nase ist klar und frisch, der enge Raum um sie herum zehnfach vergrößert.
    Zwei Eseltreiber eilen am Fenster hinter Kawsars Bett vorüber, redenin ihrer Geheimsprache mit den Tieren, Peitschen knallen, als ihre Schützlinge einen Galopp versuchen, aber mit der schweren Ladung von Ziegen- und Hammelfleisch zu kämpfen haben. Eine summende Fliegenwolke verfolgt sie und die Verwünschungen des alten Mannes aus New York, der das halbe Jahr in einem Bungalow neben dem Hotel verbringt.
    «Geht mit eurem Dreck woandershin! Sucht euch eine andere Abkürzung für diese Innereien!», kreischt er.
    «Whodead! Whodead!»
, geben sie zurück und rotzen ihm den Spitznamen, den sie ihm verpasst haben, ins Gesicht.
    Nurto öffnet leise die Tür und streckt ihren Kopf herein, und ein breites Lächeln leuchtet auf ihrem Gesicht. «Soll ich dir eine Tasse Tee machen? Hättest du gern Kaffee? Ich habe heute frische Bohnen gekauft, sie rösten bereits.»
    Das ist das erste Mal, dass sie Kawsar Kaffee angeboten hat. «Ja sicher, aber was ist denn über dich gekommen?»
    «Alles wird anders, Kawsar, und da soll ich nicht aufgeregt sein? Ich habe mich an der Kosmetikschule eingeschrieben. Soll ich einen Kuchen backen? Würde gut zum Kaffee passen.»
    «Wie du magst.» Kawsar lächelt leise. Es wird das arme Mädchen ein paar Stunden kosten, mit dem Holzkohleofen einen Kuchen zu backen, aber ein Versuch kann nicht schaden.
    «Hast du es bequem? Ist dir warm genug?»
    Zufrieden hebt Kawsar die Hand. «Hast du heute Morgen Schmerztabletten gekauft?»
    Nurto verschwindet kurz in der Küche und kommt mit einer braunen Papiertüte zurück. «Hier. Ich habe zwei Packungen gekauft, damit sie dir nicht so schnell ausgehen.» Sie legt die Tabletten behutsam auf den Nachttisch.
    «Braves Mädchen.»
    «Hast du was dagegen, wenn ich nachher zur Videohalle gehe?»
    «Nein, was zeigen sie denn?»
    «Einen Hindi-Film, einen alten mit dem Titel
Pakeezah
. Ich hab ihn schon zehn Mal gesehen.»
    «Den kenne ich, mit dem Tanzmädchen, das einen Mann im Zug trifft. Ich hätte gedacht, der wäre zu altmodisch für dich.»
    «Es gibt keinen Hindi-Film, den ich nicht gesehen hab, die aus den

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