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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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aber das Schiff kam trotzdem gut voran. Es war ein schönes Gefühl, wieder mit solcher Schnelligkeit zu reisen und noch dazu im Namen einer gerechten Sache. Schon bald waren wir wieder frohen Mutes, und unsere Sorgen schienen mit der Insel in der Ferne zu verschwinden. Glücklich ob des, wie ich glaubte, unvermeidlichen Erfolgs unserer Mission, gestattete ich mir, Jordanus' Versicherungen zu glauben, Bohemund könne uns unmöglich zuvorkommen; wir würden Anavarza lange vor dem gierigen Fürsten und seinem Heer erreichen, beteuerte der alte Händler immer wieder. An Zeit schien es nun nicht mehr zu mangeln.
    Gegen Abend erschienen Delfine vor dem Bug und schwammen mit uns. Sydoni genoss es, sie zu beobachten, und angezogen von ihrer Fröhlichkeit gesellte ich mich zu ihr an die Reling.
    »Es heißt, Delfine seien ungezogene Kinder, die Neptun vom Ufer aus verspottet hätten«, erzählte mir Sydoni. »In seinem Zorn soll der Meeresgott dann eine große Woge heraufbeschworen haben, um sie zu ertränken, doch der alte Nereus brachte es nicht über sich, sie zu töten, und so verwandelte er sie stattdessen in Fische.«
    »Diese Geschichte habe ich noch nie gehört«, sagte ich. »Aber wenn ich sie jetzt so in den Wellen spielen sehe, kann ich sie gut glauben.«
    Wir beobachteten die schlanken dunklen Gestalten, wie sie aus den Wellen sprangen, wieder eintauchten, mit ihren Flossen die Wasseroberfläche durchschnitten und Spuren aus weißem Schaum im Meer hinterließen. Aufdem Deck hinter uns hatten die Seeleute ein kleines Kohlebecken entzündet, denn es ging allmählich aufdie Nacht zu, und der Duft gebratenen Fischs stieg uns in die Nase.
    »Ich liebe das Meer«, erklärte Sydoni und legte ihr Kinn in die Hand. »Mein halbes Leben habe ich auf Schiffen verbracht.«
    »Und Jordanus?«, fragte ich, weil der wackere, alte Händler kurz nach unserer Abfahrt unter Deck gegangen war und seitdem nicht ein einziges Mal den Kopf herausgesteckt hatte.
    »Er ist der schlimmste Seemann der Welt«, antwortete Sydoni vergnügt. »Schon bei der kleinsten Welle wird mein armer Vater grün und geht unter Deck.«
    »Das muss ärgerlich sein für einen Mann, der seinen Lebensunterhalt vornehmlich an Bord eines Schiffes verdient.«
    Sydoni blickte mich einen Augenblick lang an. Ihr schwarzes Haar glitzerte im Licht der untergehenden Sonne, und ihre dunkle Haut wirkte im Abendrot wie glühende Bronze. »Ja«, bestätigte sie mir mit leiser Stimme.
    Noch während sie es sagte, wusste ich, dass sie mir eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen, etwas Persönlicheres, doch im letzten Augenblick hatte sie sich anders entschieden. Schweigen trat zwischen uns, und ich glaubte schon, sie würde nicht mehr mit mir reden wollen.
    Die Delfine sprangen ein letztes Mal aus dem Wasser und verschwanden dann inmitten der dunklen Wogen, doch Sydoni schien es nicht zu bemerken. Nachdenklich blickte sie weiter auf die Wellen hinaus. »Ich möchte Euch dafür danken, dass Ihr meinen Vater gerettet habt.«
    Ich öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, aber dann sah ich, dass sie es ernst meinte. »Musste er denn gerettet werden?«, fragte ich.
    Sie blickte zum Horizont hinaus. »Er starb in diesem Haus.« Die Art, wie sie sprach, erweckte den Eindruck, als hätten sie in einem Gefängnis gelebt. »Er hatte kein Interesse mehr am Handel, am Essen, ja noch nicht einmal am Leben selbst. Ihr habt ja gesehen, wie er war.«
    »Ich sehe, dass er sich verändert hat«, bestätigte ich ihr. »Für uns ist er zu einem wahren Löwen geworden.«
    »Ja, und dafür bin ich Euch dankbar.«
    »Gute Frau, ich habe nichts getan. Euer Vater interessiert sich für unsere Angelegenheiten aus seinen eigenen Gründen, und deshalb hat er auch beschlossen, uns zu helfen. Glaubt mir: Ich bin derjenige, der dankbar sein sollte ... und das bin ich auch.«
    »Ich erwarte nicht, dass Ihr mich versteht«, sagte Sydoni steifund trat von der Reling weg.
    In dieser Nacht saßen wir auf dem breiten, leeren Deck und aßen flaches Brot und in Olivenöl gebratenen Fisch, gewürzt mit Salz und getrockneten Kräutern. Langsam stieg der Mond in den klaren Himmel empor und erhellte die See. Nachdem sie ihr Mahl beendet hatte, stieg Sydoni sofort unter Deck, um ihrem Vater etwas zu essen zu bringen. Padraig, Roupen und ich blieben sitzen und unterhielten uns mit den Seeleuten, die alle drei schon oft ins Heilige Land gesegelt waren.
    Nachdem die anderen zu Bett gegangen waren, beschloss ich,

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