Der Gast des Kalifen
als sich vom Feind gefangen nehmen zu lassen. Wenn sie im Kampf für Gott sterben, kommen sie augenblicklich ins Paradies. Zumindest«, erneut zuckte er mit den Schultern, »ist es das, was sie glauben.«
In just diesem Augenblick rief einer der Seeleute: »Land in Sicht!« Kurz darauf erschien Jordanus an Deck. Der alte Händler schlurfte zur Reling, hielt sich mit beiden Händen daran fest und blickte mit zusammengekniffenen Augen ins Sonnenlicht hinaus.
Wir drei gesellten uns zu ihm, und ich sagte Jordanus, dass es uns freuen würde, ihn endlich hier oben zu sehen. »Die Luft wird Euch gut tun«, fügte Padraig hinzu.
Der alte Kaufmann blickte über das Wasser hinweg zu dem dunstigen dunklen Streifen in der Ferne, der eine Hügelkette darstellte. »Seit wir Damaskus verlassen haben, habe ich keinen Fuß mehr auf das Festland gesetzt«, verriet er uns. »Und ich hätte nicht gedacht, dass ich es jemals wieder tun würde.«
»Sydoni hat mir von Eurem Schicksal erzählt«, sagte ich.
Traurig blickte er mich mit trüben Augen an. »Hat sie das?«, fragte er zweifelnd. »Das erstaunt mich.« Er wandte sich wieder von mir ab. »Das ist das erste Mal, dass sie überhaupt mit jemandem darüber gesprochen hat.«
ir erreichten das Festland kurz nach Einbruch der Dunkel-ixü heit, blieben die Nacht über auf dem Meer und setzten am nächsten Morgen unseren Weg die Küste entlang fort. Die Sonne war noch nicht weit den bleichen, wolkenlosen Himmel emporgewandert, da sichtete der Steuermann die Flussmündung, und während das Schiff hineinfuhr, hatten Padraig und ich alle Hände voll mit Tauen, Segeln und dergleichen zu tun. Als ich dann schließlich Gelegenheit hatte, mich umzuschauen, sah ich eine breite, flache Trichtermündung zwischen zwei steilen Ufern.
Auf der rechten Seite des Flusses lag das Dorf Marionis, dessen dicht aneinander stehende, weiß getünchte Häuser mit ihren blauen Kuppeldächern im Sonnenlicht strahlten. Als sie sahen, dass das Schiff anlegen würde, sprangen einige Dorfbewohner in kleine Boote und ruderten uns entgegen; die ersten dieser unternehmenslustigen Seelen machten schon bald schreiend auf sich aufmerksam. Jorda-nus heuerte zwei robuste Boote an, um uns an Land zu bringen, und kurz daraufstanden wir bereits aufdem kleinen Marktplatz und feilschten um ein paar Hammelkeulen.
Das Feilschen schien dem alten Händler wahrlich im Blut zu liegen. Er genoss das Hin und Her des Handels mit einer Leidenschaft, wie ich sie nur selten bei Männern gesehen hatte, die nur halb so alt waren wie er. Das Handeln ging aufGriechisch vonstatten, und schon bald bemerkte ich, dass Jordanus zwar stets einen glaubwürdigen Gesichtsausdruck bewahrte, doch jedes Mal handelte er einen Preis aus, der ein klein wenig über dem lag, was er mit etwas mehr Beharrlichkeit hätte erreichen können.
»Das hier sind zum größten Teil Bauern und Ziegenhirten und keine wohlhabenden Kaufleute«, erklärte er, als ich ihn später danach fragte. »Das Leben in den Dörfern ist hart. Wenn ich ihnen etwas mehr gebe, werden sie mit Freude im Herzen nach Hause gehen, und wenn sie heute Abend beten, werden sie für mich bitten. Ich bin ein reicher Mann. Ich brauche alle Gebete, die ich bekommen kann.« Er lächelte mit sichtlicher Freude. »Außerdem wissen wir nicht, ob wir nicht vielleicht auf diesem Weg wieder zurückkehren müssen. Wenn wir jetzt ein wenig guten Willen säen, wer weiß, was wir dann morgen ernten werden?«
Gegen Mittag hatte er alle Besorgungen erledigt und stand zufrieden vor einem Berg von Vorräten: große runde Brote, mehrere Tonkrüge mit gesalzenen Oliven, eine schwere Hammelkeule, Scheiben von getrocknetem Fleisch und Fisch, vier lebende Hühner, die man an den Füßen zu Paaren gebunden hatte, zwei Säcke Mehl und zwei Krüge Öl, runde Töpfe mit weichem Ziegenkäse, mehrere Bünde Knoblauch und verschiedene Wurzelgemüse, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Und da war auch Wein - nicht weniger als fünf große Krüge in geflochtenen Körben.
AufJordanus' Anweisung hin schnappten sich die Dorfjungen die Krüge, Körbe und den ganzen Rest und trugen sie zum Fluss hin-
unter. Padraig und ich standen am Ufer und beobachteten die lange Reihe von Trägern, die unsere Waren vom Dorfplatz den schlammigen Hang hinab zu den beiden Booten brachten.
Nachdem die Arbeit erledigt war, gab der alte Händler jedem der Jungen ein Silberstück, und die Kinder rannten freudig jubelnd zurück nach Hause. Wir
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