Der Gast des Kalifen
jedoch ein Irrtum.
Am Kai angelangt deutete Jordanus auf die vier großen Schiffe und sagte: »Meine Schönen. Welches davon gefällt Euch am besten?«
»Das kleinste«, antwortete ich. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon die Arbeit, die es uns allein kosten würde, das Segel zu setzen.
»Das schnellste«, schlug Padraig vor. Der schlaue Priester dachte wie üblich am vernünftigsten.
»Das wäre dann die Persephone«, sagte der alte Mann und deutete auf ein langes, flaches Gefährt am Ende der Reihe. Auch wenn es im griechischen Stil bemalt war - grüner Rumpf, schlanker roter Mast und Reling und Kiel leuchtend gelb - hatte es doch mehr mit den alten römischen Schiffen gemein, die über tausend Jahre lang dieses Meer beherrscht hatten. »Sie ist zwar nicht das kleinste, aber selbst bei der leichtesten Brise fliegt sie geradezu über die Wogen. Mit Gottes Hilfe und einem guten Wind werden wir Anavarza erreichen, bevor Bohemund Syrien auch nur verlassen hat.«
ait, du wirst nicht glauben, was geschehen ist. Ich kann es ja selbst kaum glauben, und ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Auch vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es für mich nun gut oder schlecht ist. Gut, glaube ich. Auf jeden Fall hat es meine Hinrichtung doch um mindestens einen weiteren Tag hinausgezögert. Herr der Heerscharen, lass es noch mehr werden!
Nachdem ich Wazim losgeschickt hatte, um in Erfahrung zu bringen, was in der Stadt geschehen war, kehrte ich zum Pult zurück, um weiterzuschreiben, und dachte nicht mehr an das, was der Ka-lifüber die politischen Angelegenheiten von Kairo gesagt hatte. Das Ergebnis meiner Mühen hast du gerade gelesen.
Meine Schrift wird jedoch von Tag zu Tag ungelenker, wie ich gestehen muss; meine Hand verkrampft und brennt, und die Arbeit ermüdet mich - Cait, manchmal habe ich das Gefühl von Sonne-nauf- bis Sonnenuntergang mit Riesen gerungen zu haben, auch wenn ich mich nicht ein einziges Mal von meinem Stuhl erhoben habe! Dennoch habe ich aber den ganzen Tag hindurch und bis in die Nacht hinein gearbeitet, aber daran habe ich mich inzwischen ohnehin schon gewöhnt; der einzige Unterschied heute bestand darin, dass man mir kein Essen gebracht hat. Ich nahm an, dies hänge damit zusammen, dass ich schon bald sterben würde, und diese grimmige Annahme ließ mich noch härter arbeiten. Müde, wie ich war, schrieb ich dennoch mit unerbittlichem Fleiß, wohl wissend, dass jede Seite meine letzte sein konnte.
Es war schon sehr spät, als ich schnelle Schritte im Gang vor meiner Tür hörte. Ich legte die Feder beiseite und drehte mich um, als Wazim in den Raum platzte. Vor lauter Aufregung hatte er die Augen weit aufgerissen. Er war fortgegangen, um herauszufinden, was den Kalifen dazu bewegt hatte, die angesetzten Hinrichtungen auszusetzen. Nun war er mit einer Geschichte zurückgekehrt, die die gesamte Stadt in Aufruhr versetzte und die ich dir nun kurz berichten will. Zunächst muss ich jedoch etwas erklären, um dir das Ganze verständlicher zu machen:
Inzwischen wirst du erkannt haben, dass der Kalif etwas Besonderes unter den Herrschern der Mohammedaner ist. Doch bei der Ausübung seiner Macht ist er nicht allein. Er teilt sich die alltäglichen Aufgaben des Herrschens mit anderen Würdenträgern, deren Oberhaupt jemand ist, den man Wesir nennt. Der Grund dafür ist, dass der Kalif sich auf diese Art vornehmlich seiner wichtigsten Aufgabe widmen kann, nämlich der, seinem Volk als geistiger Führer zu dienen; alles andere überlässt er zumeist dem Wesir.
Wie es der Zufall will, ist der ansonsten vom Schicksal so reich bedachte Kalif von Kairo mit einem eigenwilligen und ungebärdigen Sohn gestraft: Hassan. Als der Kalif den Thron bestiegen hat, hat er sich in den Kopfgesetzt, seinen Frieden mit dem stürmischen jungen Mann zu machen und ihn wieder unter seine Kontrolle zu bringen, indem er ihn zum Wesir ernannte. Wazim hat mir erzählt, dass zwar viele dagegen waren, doch zu Beginn schien der Plan tatsächlich aufzugehen.
Nach einiger Zeit fühlte sich Hassan jedoch in seinem Amt eingeengt, und rasch nahm er wieder seine alten üblen Gewohnheiten an. Kurz darauf war er erneut der Fluch seines Vaters geworden, nur dass er diesmal eine Stellung innehatte, wo er all jenen großen Schaden zufügen konnte, die sich ihm widersetzten. Auch wenn mir nichts davon zu Ohren kam, so war es entlang des Nils, von Alexandria bis Luxor, doch wohl bekannt, denn der niederträchtige junge Mann
Weitere Kostenlose Bücher