Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
Vom Netzwerk:
gingen zu Jordanus und Roupen, die bei den Booten standen. »Mamistra liegt zwei Tage den Fluss hinauf«, erklärte Jordanus gerade, als wir uns ihnen näherten, »um diese Jahreszeit vielleicht auch drei. Es ist schon lange her, seit ich zum letzten Mal dort gewesen bin. Ich kenne da einen Mann, der mit Pferden und Lasttieren handelt. Er wird uns einen guten Preis machen ... wenn er denn noch in Mamistra lebt.«
    »Anavarza liegt dann noch einmal zehn Tagesreisen entfernt«, schätzte Roupen. »Wir werden niemals rechtzeitig dort ankommen.« Seit wir Zypern verlassen hatten, war er immer unruhiger geworden. Seine ohnehin schon blasse Haut war noch fahler geworden - falls das denn überhaupt möglich war. Ich wusste, dass er so rasch wie möglich nach Hause zurückkehren wollte, um sein Volk vor Bo-hemunds Angriff zu warnen; das war nichts Neues, doch inzwischen war dem jungen Fürstensohn die Belastung deutlich anzumerken.
    Jordanus blickte zu den kahlen braunen Hügeln hinter dem Dorf empor und tippte sich mit dem Finger an die Unterlippe. Einen Augenblick lang dachte er nach; dann sagte er: »Ein Heer kann nur so schnell marschieren wie sein Fußvolk. Wir sind gut weggekommen; selbst wenn sie den ganzen Weg rennen, könnten sie uns nicht mehr einholen. Habt keine Angst; wir werden Anavarza lange vor Bohemund erreichen.«
    Roupen schien nicht davon überzeugt zu sein. Mit grimmigem Gesichtsausdruck stieg er ins Boot und setzte sich; er wollte die Reise so schnell wie möglich fortsetzen. Der Rest der Vorräte war rasch verstaut, und wir waren bereit abzulegen. »Es fehlt jemand«, sagte Padraig und zählte die Köpfe. »Wo ist Sydoni?«
    »Sie war noch auf dem Markt, als wir gegangen sind«, erinnerte ich mich und bot an, sie holen zu gehen. Also eilte ich den Hü-
    gel hinauf zum Dorf zurück, lief zwischen den Häusern hindurch auf den Marktplatz. Sydoni war nirgends zu sehen, doch drei der Jungen, die uns beim Transport der Waren geholfen hatten, standen vor einem Haus und blickten durch die offene Tür hinein.
    Ich ging zu dem Haus, um ebenfalls einen Blick hineinzuwerfen. Ich sah einen kahlen Raum mit einem sauberen Boden aus fest gestampfter Erde und einen einsamen Tisch an der Wand. Sydoni stand in der Mitte des Raums und hielt sich ein Stück Stoff an den Leib, während eine andere Frau es hier und da in die Höhe hob und feststeckte. Eine dritte Frau, vielleicht die Mutter der ersten, hockte in einer dunklen Ecke und gab Anweisungen ... und alle drei schnatterten munter auf Griechisch miteinander und schienen alles um sich herum vergessen zu haben.
    Ich klopfte an den Türpfosten. Sydoni blickte auf, sah mich und lächelte. Es war ein Lächeln des Erkennens und des Willkommens, doch auch eines des überlegenen, unangreifbaren Selbstvertrauens. Hier war eine Frau, die sich ihrer selbst sicher war, eine Frau in ihrer Welt, der es nicht im Geringsten etwas ausmachte, mir einen Blick da hinein zu gewähren.
    »Die Vorräte sind verstaut, und wir sind bereit aufzubrechen«, sagte ich ihr.
    »Einen Augenblick noch«, erwiderte Sydoni und wandte sich wieder dem Stoff zu. Dann beachtete sie mich nicht mehr, bis alles erledigt war. Schließlich reichte sie der Frau den Stoff, die ihn sorgfältig faltete, zusammenband und aufein leeres Wandregal legte. Zu guter Letzt reichte die Frau Sydoni etwas, das ein paar Weidenruten zu sein schienen, die man in ein Stück groben weißen Stoffs eingewickelt hatte.
    Sydoni verabschiedete sich. Die beiden Frauen folgten ihr hinaus und wünschten ihr Lebewohl, wobei jede sie aufbeide Wangen küsste. Als wir uns dann auf den Weg über den Platz machten, rief eine der Frauen einem Mädchen etwas zu, das vor dem Haus gewartet hatte. Das Kind folgte uns, begleitet von einer Freundin. »Mir scheint, wir haben eine Eskorte«, bemerkte ich. Als Sydoni nicht darauf antwortete, deutete ich auf das Bündel in ihrer Hand. »Was habt Ihr da?«
    »Oh, das hier?«, erwiderte sie geistesabwesend. »Schaut her.«
    Sie zog an dem zurechtgeschnitzten Ende einer Rute und schüttelte sie leicht, woraufhin ein hölzerner Ring zum Vorschein kam, der bis jetzt unter dem Stoff verborgen gewesen war. Sydoni packte den Ring und schob ihn die Rute hoch, und dann geschah etwas äußerst Bemerkenswertes: Der dünne Stoff breitete sich zu einer großen runden Scheibe aus und spannte sich über ein kompliziertes Gitterwerk aus gespaltenen Weidenruten. Schließlich befestigte Sydoni den Ring irgendwie, und der

Weitere Kostenlose Bücher