Der Gast des Kalifen
empfand er offensichtlich nicht als sonderlich beeindruckend, denn bereits nach kurzer Musterung sagte er etwas zu seinen Gefährten und wandte sich ab. Er ging zu seinem Pferd, um wieder aufzusitzen.
Der Seldschukenkrieger neben mir verstärkte seinen Griff, während der andere mit dem Schwert beiseite trat - um einen besseren Hieb ansetzen zu können, dachte ich und bereitete mich auf den tödlichen Schlag vor.
Doch der Mann ging weg, und ich sah mein treues Tier hilflos aufdem Boden liegen und verzweifelt versuchen aufzustehen. Auch wenn ich benommen war, so konnte ich doch deutlich sehen, dass das Tier sich den Rücken gebrochen hatte und vermutlich auch das rechte Vorderbein. In seinem Eifer, die anderen einzuholen, war der kühne Schimmel den Pfad ein wenig zu schnell hinaufgestürmt und durch einen losen Stein zu Fall gekommen.
Der Seldschukenführer sagte erneut etwas zu dem Mann mit dem Schwert, der sich daraufhin bückte, um die Verletzungen des Tiers zu untersuchen. Es dauerte nicht lange, und er stand wieder auf. Sein langsames Kopfschütteln bestätigte, was alle bereits wussten: Es gab keine Hoffnung mehr für die Kreatur.
Der Anführer hob das Kinn, und der Krieger verneigte sich. Zwei Männer gesellten sich zu ihm. Einer packte die Zügel, und ein anderer zog einen kurzen Speer aus einer Scheide unter seinem Sattel. Sie ließen das Pferd sich auf die Seite legen, und während einer die Zügel hielt, drückte ein anderer den Kopf hinunter und flüsterte dem Tier beruhigende Worte ins Ohr. Der dritte Krieger mit dem Speer trat von hinten an den Schimmel heran.
Ein rascher Stoß unmittelbar unterhalb des Schädels, und es war vorbei. Der arme Schimmel trat aus, schnaufte und rührte sich nicht mehr. Zufrieden, dass das Tier nicht hatte leiden müssen, wendete der Seldschukenführer sein Pferd und machte sich aufdenselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren.
Mir legte man ein Seil um die Hüfte und führte mich durch das ausgetrocknete Flussbett. Ich musste rennen, um mit den Reitern mitzuhalten, doch glücklicherweise ritten sie nicht weit, sonst wäre ich zusammengebrochen. Dennoch brannten meine Lungen, und dunkle Flecken tanzten vor meinen Augen, als wir endlich unser Ziel erreichten: einen Zugang zum Flussbett, wo ein paar Kreuzfahrer versucht hatten zu fliehen.
Sie waren einfach niedergeritten worden, und nun lagen ihre Leichen zwischen den Felsen verstreut in ihrem eigenen Blut. Die Seld-schuken hatten entlang des Flusses nach Flüchtigen gesucht, als wir
zufällig auf sie gestoßen waren.
Nachdem die Türken die Toten nach Wertsachen durchsucht hatten, nahmen sie ihnen Waffen und Rüstung ab, und der Seldschu-kenhäuptling führte seine Männer wieder das Ufer hinauf auf die Ebene. Mich und drei reiterlose Pferde zogen sie hinter sich her.
Die meisten Toten lagen in der Mitte der Ebene, in der Nähe der Straße, auf der sie entlanggezogen waren, als Ghazis Falle zugeschnappt war. Als wir uns der Straße näherten, wo die schlimmsten Kämpfe stattgefunden hatten, sah ich Leichen in Haufen übereinander liegen. Die meisten von ihnen trugen keine Rüstungen, und einige hatten sogar noch nicht einmal Waffen. Ich wunderte mich darüber und kam zu dem Schluss, dass die Ritter noch nicht einmal Zeit gehabt hatten, sich zu rüsten, weil der Feind so plötzlich über sie gekommen war. Man hatte sie niedergehauen, während sie noch versucht hatten, Helm und Harnisch anzulegen.
Das Blut der Erschlagenen hatte die staubige Straße in ein rotes Schlammloch verwandelt, das von den Füßen der Ritter und Seld-schuken und den Hufen ihrer Pferde aufgewühlt war wie ein Acker. Durch die glühend heiße Sonne war der Gestank bereits jetzt unerträglich. Der Ekel erregende, süße Geruch trockenen Blutes stieg mir in die Nase, und mir kam die Galle hoch; ich keuchte und würgte, während man mich immer weiter vorwärts zog. Dennoch bemühte ich mich, mein Gleichgewicht zu behalten, um nicht in den widerlichen Schlamm zu fallen.
Ich versuchte, die Toten nicht anzusehen, und wann immer ich konnte, wandte ich den Blick von ihnen ab - von ihren schlaffen Mündern mit den heraushängenden Zungen, ihren erstaunten, leeren Augen, ihren klaffenden Wunden -, damit sie in meinen Augen nicht entehrt wurden. Ihr erbärmlicher Anblick erfüllte mich mit einem unbezähmbaren, bedrückenden Gefühl der Reue. Ich wankte über das Schlachtfeld, stolperte über die Leichen, und mit jedem Schritt wurde die
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