Der Gast des Kalifen
rollte.
Das ganze grauenhafte Spektakel wurde von den ausgelassenen Jubelrufen der Umstehenden begleitet, von denen viele aufdas Können des Reiters Wetten abgeschlossen hatten. Das widerte mich an, und wilde Wut stieg in mir auf. Es dauerte nur wenige Augenblicke, da konnte ich sie nicht mehr beherrschen. Vor meinen Augen wurde alles schwarz, und mein Blut brannte wie Feuer.
Angetrieben von machtlosem Zorn reckte ich meine Faust gen Himmel und beschwor Gottes feurige Rache herab, auf dass er die herzlosen Ungläubigen zu Asche verbrennen möge. Doch der Himmel blieb klar, und keine Blitze schossen herab, um die grausamen Sieger zu zermalmen. Wenn Gott seine schützende Hand zurückzieht, sind die Mächte der Hölle schnell dabei, sich die Reste zu schnappen.
ait, mein Licht, ich kann mich nicht länger beherrschen. Zum ersten Mal in meiner Gefangenschaft überkommt mich eine große Furcht und Unsicherheit, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich laufe auf und ab und bete, dass die Nacht endlich vorbei sein möge, während sich eine entsetzliche Hoffnungslosigkeit meiner bemächtigt, wie ich sie noch nie empfunden habe.
In dieser Nacht sind zwei Männer der Leibwache des Kalifen in meine Zelle gestürmt. Obwohl es spät war und im ganzen Palast Stille herrschte, wurde ich eilig in den Thronsaal geführt, wo der ehrenwerte Kalif mich nun schon zweimal empfangen hat, wie du dich sicher erinnern wirst. Der große Raum war in Dunkelheit gehüllt, abgesehen von zwei Fackeln in Halterungen zu beiden Seiten der Tür am anderen Ende des Saals.
Ich wurde über den leeren Boden zu eben jener Tür geführt. Sie stand offen, und einer der Soldaten bedeutete mir hineinzugehen. Das tat ich dann auch; die Tür wurde hinter mir geschlossen, und ich fand mich allein in einer kleinen Kammer wieder. Im Licht eines einzelnen Kerzenleuchters sah ich einen kleinen, dreibeinigen Stuhl mit gepolstertem Ledersitz und ein großes blaues Satinkissen von der Art, wie sie der Kalifbevorzugt. Aufeinem Tisch stand eine Schüssel mit Datteln und Feigen und eine kleine Messingglocke.
Während ich diese Dinge betrachtete und mich darüber wunderte, warum man mich mitten in der Nacht hierher gebracht hatte, hörte ich ein seltsames Knirschen - ähnlich dem eines sich drehenden Mühlsteins. Es schien von der anderen Seite des Raums zu kommen, und als ich hinsah, öffnete sich ein schmaler Spalt in der Wand.
Dieser Spalt verwandelte sich in eine niedrige Tür, die nach außen aufschwang. Kühle Luft wehte über mich hinweg, und ich roch den abgestandenen Geruch von feuchter Erde; da kam mir der Gedanke, dass die vielen verstreuten Räume und Gebäude der Palastanlage sicherlich durch ein ausgeklügeltes Tunnelsystem miteinander verbunden waren. Dann hörte ich Schritte, und nur einen Augenblick später trat niemand anders durch die Tür als der Kalif al-Hafiz mit einer Fackel in der Hand.
Er trug keinen Turban und war nur in sein Nachtgewand gehüllt. Sein weißes Haar hing an seinem Kopf herunter, als hätte er daran gerissen, und sein Bart war wild und ungekämmt. Er machte den Eindruck eines Mannes, den ein schrecklicher Albtraum aus dem Bett getrieben hatte.
Er zuckte unwillkürlich zusammen, als die Tür sich hinter ihm wieder schloss; dann drehte er sich um und blickte mich an. Seine dunklen Augen funkelten böse und waren starr auf mich gerichtet. Sein Gesichtsausdruck ließ mich nichts Gutes ahnen, was den Ausgang dieses Treffens betraf.
Dennoch verneigte ich mich ehrerbietig und wartete darauf, dass er mich ansprechen würde. Der Kalifsteckte die Fackel in eine Halterung neben der Tür und bedeutete mir, mich auf den Stuhl zu setzen. Das tat ich auch, während er sich aufdas Kissen hockte und die Beine übereinander schlug. Das ist ein seltsames Treffen, dachte ich - keine Ratgeber, Diener oder sonst wer, keine beeindruckende Leibwache, um ihm Statur zu verleihen, keine üppige Ausstattung aus Gold, Seide und Sandelholz -, nur wir zwei, von Mann zu Mann.
Er schaute mir in die Augen, und ich erwiderte seinen Blick. Ich sah, dass er leicht zitterte wie ein alter Mann, den die Schüttellähmung plagt - ein Wackeln des Kopfes und ein kaum wahrnehmbares Zittern der Hände. Dann begann er zu nicken und stimmte einen arabischen Gesang an. Nach einem Augenblick seufzte er, sprang wieder hoch und lief auf und ab.
Verwirrt ob dieses Verhaltens beobachtete ich ihn. Dass ihn große Sorgen plagten, war offensichtlich, und ich empfand so etwas
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