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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Viele ertrinken in diesen Zeiten, und ihre Leichen werden von den Krokodilen gefressen - gierige, drachenartige Ungeheuer, welche die unteren Flussmarschen heimsuchen.
    Eine andere Art von verabscheuungswürdiger Kreatur nistet auf den Müllhaufen vor den Stadtmauern und drängt sich an den Toren, wo sie den Unvorsichtigen auflauert: Bettler. Zunächst erfüllte mich christliches Mitleid, als ich dieses entsetzliche Schauspiel sah. Gott sei mir gnädig, es waren so viele. Blinde und Stumme, Alte und Lahme, Aussätzige, Verstümmelte, Taube, Verhungernde, Nackte und Kranke. Meine Seele wand sich ob ihres Elends. Aber das feindliche und streitlustige Verhalten dieser Unglücklichen trieb mir rasch alles Mitleid aus. Wie Schakale belauern sie die Menge und halten nach Opfern Ausschau. Haben sie dann eines gefunden, schleppen sie ihre zerschundenen Leiber heran und stimmen ihr eingeübtes Heulen und Jammern an. Auch wenn ich ein Gefangener
    war, der nichts hatte, was er ihnen geben konnte, ließen sie nicht von mir ab; sie zerrten und rissen mit ihren klauenartigen Händen an meinen Kleidern und stießen ihr für mich unverständliches Gejammer aus. Gott verzeih mir, aber ich lernte schon bald, sie zu ignorieren, und wie meine Wächter bewegte ich mich rasch durch ihre elenden Reihen hindurch, wobei ich jeden rüde beiseite stieß, der dumm genug war, mir nicht schnell genug aus dem Weg zu gehen. Ihren Schreien gegenüber war ich vollkommen taub.
    Die Sorge über das mir bevorstehende Schicksal überlebte nicht länger, als bis ich ein paar Hundert Schritte jenseits des Tores gegangen war. Denn die Stadt war nicht nur größer, lärmender und voller als alle, die ich bisher gesehen hatte, sie war geradezu unglaublich - und das in jeder Hinsicht. Sofort wurden meine von der Sonne vernebelten Sinne von einer wahren Flut von Eindrücken überwältigt.
    Als Erstes sind es die Gerüche, die einem den Atem verschlagen, denn hier lässt man es zu, dass der Abfall der Händler und Bewohner in der Sonne verrottet, was die Luft mit einem entsetzlichen Pesthauch erfüllt.
    Zugleich hämmern die unterschiedlichsten, lärmenden Geräusche auf die Ohren ein: das nicht enden wollende Schreien der Bettler, die schrillen Rufe der Händler, das Kreischen von Kindern, Hundegebell. Überall wurde geredet, geschrien, gebrüllt... tausend Stimmen sprachen gleichzeitig. Das daraus entstehende stürmische Brausen ist kaum zu ertragen.
    Und was es alles zu sehen gibt! Cait, nach nur wenigen Dutzend Schritten innerhalb der Mauern von Kairo hat man schon mehr außergewöhnliche Dinge gesehen, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben zu sehen bekommen. Wo auch immer der Blick des Besuchers hinschweift, überall sieht er etwas Neues. Ich sah wohlhabende Männer und Frauen, die von Kopf bis Fuß in die erstaunlichsten Gewänder gehüllt waren, deren Farben sich bei jeder Bewegung veränderten wie die des Regenbogens. Ich sah Moscheen mit Kupferkuppeln, die ganz und gar mit glitzernden persischen Fliesen verkleidet waren, sodass sie aussahen, als bestünden sie vollständig aus buntem Glas.
    Und die Menschen, Cait, sind die ungewöhnlichsten, die unter Gottes weitem Himmel wandeln. Ihre Hautfarbe reicht von Mitternachtsschwarz über Braun in jeder Schattierung bis hin zum vollen Ton der Walnuss, der gebackenen Erde und der sanften Blässe des Pergaments. Ihre Gestalt und Größe ist nicht weniger unterschiedlich. Ich sah Männer so groß, schlank und schwarz wie Ebenholzbalken und andere so klein wie Halbwüchsige. Die schönsten von allen aber sind die Ägypter selbst. Sie besitzen sanfte, gleichmäßige Gesichtszüge, eine hohe, edle Stirn, gerade weiße Zähne und volles schwarzes Haar, das in der Sonne glänzt; allesamt sind sie groß gewachsen und bewegen sich mit natürlicher Eleganz, während sie die Welt amüsiert mit ihren dunklen, mandelförmigen Augen betrachten. Sie behaupten, von den alten Göttern abzustammen, und man muss sie nur ansehen, um das zu glauben. Schönere Menschen vermag ich mir nicht vorzustellen.
    Durch die Stadt zu gehen bedeutet, an jeder Ecke neue Wunder zu entdecken. In den Straßen von Kairo gibt es mehr Farben, mehr Lärm, mehr von allem als an jedem anderen Ort unter der Sonne. In den höher gelegenen Fenstern sah ich metallene Käfige hängen mit Vögeln so groß wie Raben, doch farbenprächtiger als ein König, mit langem Schwanz und krummem Schnabel und Federn in Scharlachrot und Grün, Meeresblau, Weiß

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