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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Wange. Er blickte zur Decke hinaufund dann wieder aufden Tisch. Schließlich stand er auf, faltete die Hände hinter dem Rücken und begann, auf und ab zu gehen. Nach einer Weile blickte er zu mir und sagte: »Ihr seid ein Edelmann.«
    »Das bin ich, ja.«
    »Das macht es nur umso schwerer für mich, wisst Ihr?«
    »Das tut mir Leid.«
    »Nein, nein. Macht Euch deswegen keine Gedanken«, beruhigte er mich rasch. »Bisweilen sind die Dinge nun einmal ein wenig komplizierter.«
    Er kehrte zu seinem Platz zurück und griff nach der Feder. Diese tauchte er in die Tinte; dann zögerte er, und seine Hand schwebte über dem Pergament. Nachdenklich blickte er mich an. »Ah!«, sagte er plötzlich, als hätte er unvermittelt die Lösung für ein Problem gefunden, das ihn schon seit langem plagte.
    Wieder tauchte er die Feder in die Tinte, begann zu schreiben, und schließlich beendete er den Text mit einem eleganten Federschwung. Dann legte er die Feder wieder beiseite, nahm das Pergament - der seltsame Stoff war derart dünn, dass das Licht durch ihn hindurchschien und ich die fremdartigen Buchstaben sehen konnte, die auf der anderen Seite geschrieben waren. Er nahm also das Pergament, hielt es sich vors Gesicht, kniff die Augen zusammen und grunzte zufrieden. Anschließend stand er auf, ging zur Tür, rief irgendetwas und kehrte wieder zu seinem Stuhl zurück.
    Ein paar Augenblicke später erschien ein kleiner brauner Mann in einem fließenden weißen Gewand. Der Mann hatte feine Gesichtszüge und eine Haut wie poliertes Nussbaumholz; auf dem kurz geschorenen Haar trug er eine kleine weiße Kappe. Er trat einen Schritt in den Raum, verneigte sich und ging dann leichtfüßig zum Tisch, wo er stehen blieb und mich interessiert betrachtete.
    »Kalif al-Hafiz wird in nächster Zeit nicht in Kairo sein«, erklärte mir Abu Rafidi und fügte dem, was er geschrieben hatte, noch ein paar Worte hinzu. »Nur er kann über Euer Schicksal entscheiden.« Er blies auf die feuchte Tinte, um sie zu trocknen. »Solange der Kalif also nicht zurück ist, wird man Euch einen Raum im Palast zuweisen.«
    Wieder legte er die Feder beiseite, deutete auf den weiß gewan-deten Diener und sagte: »Das ist Wazim Kadi. Er wird Euer ... äh...«, er hielt kurz inne und suchte nach einem geeigneten Wort, ».er wird Euer, sagen wir, Wärter sein. Solange Ihr hier im Palast weilt, wird er sich um Eure Bedürfnisse kümmern.«
    »Ich bleibe also Euer Gefangener?«, fragte ich.
    »Ihr werdet unser.«, wieder zögerte der Katib, ».unser Gast sein -zumindest bis zur Rückkehr des Kalifen.«
    »Verzeiht mir die Frage, mein Herr Emir«, sagte ich, »aber wann wird der Kalif denn zurückerwartet?«
    »Das weiß nur Allah«, antwortete der Katib, »und Allah behält seine Pläne für sich.« Er lächelte freundlich. »Oder zumindest teilt er sie nicht mit Rafidi. Kommt jetzt. Wazim wird Euch in Euer Gemach führen und für Eure Bequemlichkeit sorgen.«
    So begann meine Freundschaft mit Wazim, meinem verdienstvollen Sarazenenwärter, der mir unzählige Male unschätzbare Dienste erwiesen hat, indem er kleinere und größere Dinge für mich erledigte. So war es zum Beispiel Wazim Kadi, der mich mit einem schier endlosen Vorrat an Federn und Tinten versorgte, mit denen ich dies hier schreibe, und er war es auch, der mich zum ersten Mal mit dem seltsamen pergamentartigen Stoff vertraut machte, den man Papyrus nennt. Die Ägypter stellen ihn aus langen Schilfhalmen her, die überall am Flussufer wachsen. Er ist zäh und doch leicht, und man kann ihn zusammenrollen. So ist Papyrus unserem Pergament weit überlegen - mit einer wichtigen Ausnahme: Einen Schreibfehler kann man nicht wieder ausradieren. Im Gegensatz zu Pergament, aufdem man einen Fleck einfach wegkratzen kann, bis darunter eine neue Schicht zum Vorschein kommt, bleibt auf Papyrus ein Fehler auf ewig erhalten.
    Trotz des anderen Menschenschlags und trotz des anderen Glaubens hätte ich mir keinen besseren Diener wünschen können. Stets freundlich und rücksichtsvoll hat Wazim Kadi über mich gewacht wie ein Engel - ähnlich wie Padraig, doch auf seine eigene Art.
    Und nun, meine liebste Caitriona, Herz meines Herzens, muss ich mein langes und bei weitem zu mildes Schreiben beenden. Was als einfacher Abschiedsbrief begonnen hat, ist zu einem Buch geworden. Wenn ich jetzt so die Arbeit betrachte, die ich geleistet habe, so bin ich zum größten Teil zufrieden. Wäre nicht die Versicherung des Kalifen

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