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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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öffnen konnte. »Seht Ihr?«, flüsterte Wazim, der hinter mir herangekrochen kam. »Sie sind verschlossen. Ihr könnt nicht hinein. Wir werden jetzt gehen müssen.«
    »Es muss noch einen anderen Weg hinein geben.«
    »Es gibt nur diesen Weg«, erklärte Wazim. »Das ist der Harem. Es kann keinen anderen Weg geben.«
    »Eben weil es der Harem ist«, widersprach ich, »muss es einen anderen Weg geben.« Auch wenn ich nur wenig über diese Dinge wusste, so erschien es mir doch mehr als unwahrscheinlich, dass es im Sinne des Kalifen war, dass jedermann im Palast wusste, wann er seine Frauen besuchte. Ich vermutete, dass es auch hier einen Geheimgang gab, ähnlich jenem, den ich in dem kleinen Raum hinter dem Thronsaal gesehen hatte.
    Ich ließ meinen Blick über die umliegenden Gebäude schweifen. Es gab zwei Reihen von Lagerräumen, einer links neben dem Ha-rem, der andere dahinter; die dritte Seite nahm der Hauptflügel des Palastes ein, und auf der vierten befand sich ein niedriges Gebäude mit vier Kaminen, die von kuppelförmigen Hauben gekrönt waren. »Was ist das?«, fragte ich.
    »Die Küche des Harems.«
    Ich machte mich auf den Weg dorthin. »Dort werdet Ihr nichts finden«, sagte Wazim und eilte mir hinterher.
    Auf den ersten Blick erschien es so, als hätte er Recht. Der lange, niedrige Raum war leer und die großen, runden Öfen kalt. Ein paar Brotlaibe lagen auf dem Tisch und in einem Korb ein paar Birnen, aber ansonsten vermochte ich in der Dunkelheit nichts zu sehen. Ich ging hinein und tastete den gewölbten Rand des Herdes ab. »Was tut Ihr da?«, fragte Wazim. »Man wird uns finden. Lasst uns von hier verschwinden, mein Freund.«
    Nur einen Augenblick später fand ich, wonach ich gesucht hatte: einen Haufen Stroh, das man benutzte, um das Feuer zu entfachen. Ich nahm eine Hand voll davon und presste es in meiner Hand zusammen; dann beugte ich mich vor und wischte mit meinem so verlängerten Arm die oberste Aschenschicht beiseite. Darunter kam ein letzter Rest von Glut zum Vorschein. Ich hielt das Stroh an die Glut, blies darauf, und schon bald wurde ich mit einer hellen gelben Flamme belohnt. Kurz daraufbrannten alle meine Halme, und ich hielt sie in die Höhe. Rasch durchsuchte ich den Raum nach einer Kerze und fand auch drei. Eine davon zündete ich an; die zweite steckte ich mir in den Gürtel, und die dritte reichte ich Wazim und befahl ihm, sich neben die Tür zu stellen und Wache zu halten. »Warn mich, wenn irgendjemand in den Garten kommt.«
    Mit Hilfe der Kerze durchsuchte ich die Küche gründlich; nur einmal hielt ich kurz inne, um ein Stück Brot aus einem Laib zu reißen und es mir in den Mund zu stecken. Das Brot war alt, doch essbar, und kauend fuhr ich mit meiner Suche fort. Ich suchte zwischen den Öfen und drum herum und fand eine kleine Tür, die nach draußen führte und durch die das Brennmaterial herbeigeschafft wur-de. Ich ging hinaus und fand mich in einem kleinen, ummauerten Hofvoller Holz und Zunder wieder. Um nicht gesehen zu werden, deckte ich die Kerzenflamme mit der Hand ab und sah mich abermals um, bis ich eine Klappe zwischen zwei Stapeln fand. Diese hob ich hoch, hielt meine Kerze ins Dunkle und sah eine Treppe, die nach unten führte.
    Leise entfernte ich die Klappe; dann holte ich Wazim. Mein treuer Diener warfnur einen Blick aufmeinen Fund und sagte: »Da wird die Asche runtergeworfen, wenn die Öfen gesäubert werden. Sonst gibt es da nichts.«
    Ich ignorierte ihn, stieg die Treppe hinunter und fand heraus, dass er Recht hatte. Am gegenüberliegenden Ende des Raums, in dem ich mich befand, war eine Ziegelrampe zu erkennen, über die die Asche aus den Öfen hinuntergeleitet wurde. Ein Laufsteg vor der Rampe gestattete es den Dienern, die Asche einzusammeln. An einem Ende des Laufstegs befand sich eine kleine Lüftungsöffnung für die Öfen oben und am anderen Ende eine Tür.
    Ich rief Wazim zu, mir zu folgen, und ging zur Tür. Vorsichtig öffnete ich sie und trat in die kühle, feuchte Dunkelheit eines höhlenartigen Raums. In der Ferne hörte ich das Tropfen von Wasser. »Das ist die Zisterne des Harems«, erklärte mir Wazim, nachdem er sich zu mir gesellt hatte. Seine Stimme hallte von den unsichtbaren Wänden wider. »Kommt. Sonst gibt es hier nichts.«
    »Und es gibt hier doch etwas«, widersprach ich. »Schau!« Ich hob die Kerze vor die Wand, um eine Fackel in einer Halterung neben der Tür zu enthüllen. Diese nahm ich an mich und entzündete sie mit

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