Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
Vom Netzwerk:
gewesen, dass es eines Tages seinen Weg zu dir finden wird, so hätte ich schon seit langem verzweifelt. Aber die Sarazenen sind ein vertrauenswürdiges Volk; ist ihre Ehre erst beschworen, werden sie sich selbst dem Tod entgegenstellen, um ein einmal gegebenes Versprechen zu erfüllen.
    Das Ende ist nah, wie immer es auch aussehen mag. Seit kurzem höre ich Rufe und Schreie aus den Gängen und Höfen des Palastes. Sie sind immer lauter geworden, und jetzt rieche ich auch Rauch, der durch das offene Fenster hereinweht. Wazim, der versprochen hat, mir zu berichten, was dort draußen vor sich geht, ist noch nicht wieder zurückgekehrt, und das kann unmöglich ein gutes Zeichen sein. Wenn es Gottes Wille ist, dass dieses Werk vollendet wird, so fürchte ich, dass ein anderer es wird tun müssen. Ich bin zufrieden.
    Ich will mit einem Gebet für dich schließen, für dich und für all jene, die nach uns kommen: Mögest du in der Tugend Weisheit finden . und in der Weisheit Frieden . im Frieden Zufriedenheit . in der Zufriedenheit Freude . in der Freude Liebe . in der Liebe Jesus ... und in Jesus Gott und das ewige Leben. Amen.
    Lebewohl, Cait, meine Seele. Bis wir uns im Paradies wiedersehen.

    Unfähig, die Tür aufzubrechen, stand ich am Fenster und blickte zu der mattroten Blüte hinaus, die sich rasch am Nachthimmel ausdehnte. Es brannte in der Stadt, und der Wind wehte ein Stöhnen und Seufzen zu mir hinauf - das unheimliche Wehklagen Tausender schreiender und heulender Stimmen. Der Rauchgeruch war inzwischen stärker geworden, und ich vermutete, dass sich die Flammen in den engen Gassen rasch verbreiten und so lange von Haus zu Haus springen würden, bis aus der ganzen Stadt ein einziges Flammenmeer geworden war.
    Ich hatte gerade begonnen, darüber nachzudenken, was ich tun würde, wenn die Flammen den Palast erreichten, als ich einen Schlüssel im Türschloss hörte. Ich drehte mich im selben Augenblick um, da die Tür geöffnet wurde, und Wazim erschien. Sein Gesicht war voller Dreck und Ruß, seine lange Tunika verschmutzt und schweißdurchtränkt. Er blutete aus einer Wunde an der Schläfe und rang nach Atem.
    »Wazim!« Ich eilte auf ihn zu. »Was ist ge.?«
    Er warfeinen raschen Blick über die Schulter zurück und bedeutete mir zu schweigen; dann winkte er mich zu sich heran. »Wir müssen uns beeilen Da'ounk«, flüsterte er mit heiserer Stimme.
    Ich eilte zu meinem Pult zurück, wo ich das Papyrusbündel mit meinem Bericht in ein Wams wickelte, das ich anschließend mit einer Schnur zusammenband. Schließlich warf ich mir das Ganze über die Schulter und eilte zu Wazim zurück, der an der Tür auf mich wartete. »Geh voran.« Ich verließ den Raum, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
    Wazim führte mich rasch den Gang hinunter und dann eine Treppe hinab in den Gang darunter. Diesen durchquerten wir ebenfalls, bis wir schließlich den kleinen Innenhoferreichten, den ich von meinem Fenster aus sehen konnte. Wazim wollte in die Dunkelheit davoneilen, doch ich packte ihn am Arm und sagte: »Wazim! Warte! Sag mir, was geschehen ist. Wohin gehen wir?«
    »Es ist sehr schlimm«, antwortete er und schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Zeit. Wir müssen uns beeilen.«
    »Sag es mir.«
    Er drehte sich um, und die Augen in seinem dunklen Gesicht funkelten hell durch das rote Glühen am Himmel. »Es herrscht Aufruhr«, erklärte er mit zitternder Stimme. »Viele sind getötet worden. Sie haben den großen Basar in Brand gesteckt, und der Kalifist in die Zitadelle geflohen. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch entkommen wollen.«
    »Die Soldaten, Wazim. Wo sind sie?«
    »Einige beschützen den Kalifen«, antwortete er. »Die meisten sind jedoch hinausgeschickt worden, um den Aufruhr niederzuschlagen.«
    »Was ist mit dem Palast? Sind hier noch Soldaten?«
    »Ein paar, nicht viele.« Er zog mich an den Händen. »Kommt hier entlang. Wir müssen zum Fluss hinunter. Eure Freunde. Sie warten dort auf Euch.«
    »Meine Freunde? Meinst du Padraig?« Nach so langer Zeit ver-mochte ich seinen Worten kaum zu glauben. Konnte das wirklich wahr sein? »Padraig ist hier in Kairo?«
    »Ja ... er und die anderen. Jordanus Hippolytus ist bei ihm und noch ein paar andere. Sie haben ein Schiff.Kommt. Sie warten.« Wieder wollte er losrennen, doch ich hielt ihn fest.
    »Vorher muss ich noch etwas tun.«
    »Nein. Bitte, Da'ounk. Wir haben keine Zeit. Die Soldaten können jeden Augenblick wieder zurückkehren. Wir müssen aus dem Palast

Weitere Kostenlose Bücher