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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Torf-Einars Rückkehr zu und wie es ihm im Heiligen Land ergangen war. Einige sagten, sie hätten gehört, Torf habe ein großes Vermögen im Osten zurückgelassen, und andere begannen darüber Vermutungen anzustellen, wie groß dieses unbekannte Vermögen wohl sein mochte und ob es in Gold oder Silber bemessen war. Ihre Unwissenheit und Leichtfertigkeit erregte meinen Unmut, und ich sagte: »Vielleicht werde ich eines Tages selbst ins Heilige Land ziehen, dieses Vermögen für mich beanspruchen und König von Edessa werden.«
    Meine Mutter, die gerade damit beschäftigt war, den Dienern Anweisungen zu erteilen, und die somit dem Gespräch nur mit halbem Ohr zugehört hatte, drehte sich plötzlich zu mir um und starrte mich an, als hätte ich angekündigt, die Halle mitsamt der Anwesenden abbrennen zu wollen. Gleichzeitig verschwand von einem Augenblick auf den anderen das Lächeln aus dem Gesicht meines Vaters, und langsam drehte er den Kopf in meine Richtung. Hätte ich die schlimmste vorstellbare Gotteslästerung begangen, ich glaube nicht, dass sein Gesichtsausdruck entsetzter gewesen wäre. Er schluckte das Stück Brot herunter, auf dem er gekaut hatte, und versuchte, seinen wachsenden Zorn zu unterdrücken. »Das war schlecht gesprochen«, erklärte er mit einer Stimme, der die Anspannung deutlich anzumerken war. »Solch törichte Gedanken sind Teufelswerk.«
    Ich wollte ihm erwidern, dass dies keineswegs nur Torheit sei, dass ich in der Tat über solch ein Vorhaben nachgedacht hätte, doch aus den Augenwinkeln heraus sah ich Frau Ragna mir warnend zuwinken. Die Reaktion meiner Eltern schmerzte mich; doch die Schnelligkeit und die Kraft, mit der meine unschuldige Bemerkung den Zorn Herrn Murdos heraufbeschworen hatte, überraschte mich so sehr, dass ich, statt zu widersprechen, eine Entschuldigung murmelte und ihn um Verzeihung bat.
    Die Spannung des Augenblicks schmolz dahin, und das Gespräch wurde fortgesetzt; nur das Heilige Land wurde nicht mehr erwähnt. Bei der erstbesten Gelegenheit stand ich auf und ging hinaus. Als ich am nächsten Morgen zur Kirche kam, nahm mich mein Vater beiseite. »Deine Mutter glaubt, es sei voreilig von mir gewesen, wie ich dich gestern Abend gescholten habe. Sie glaubt, ich hätte dich für Worte verdammt, die nur so dahingesagt und nicht den Atem wert gewesen seien, den es gebraucht hat, sie zu sprechen.«
    Ich blickte ihm in die Augen. »Und was denkst du?«
    Er wandte sich ab. »Ich glaube, dass meine gute Frau sehr weise ist, und im Laufe der Jahre habe ich gelernt, ihrem Urteil in solchen Dingen zu vertrauen.« Er zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder zu mir um. »Wenn du mir sagst, dass sie die Wahrheit erkannt hat, und wenn du mir versprichst, nie wieder von solchen Dingen zu sprechen, werde ich dir voll und ganz und mit Freu-den vergeben und nie wieder ein Wort darüber verlieren.«
    »Vergeben?«, sagte ich mit einer Stimme rau von Empörung. »Ist es jetzt schon eine Sünde, vom Heiligen Land auch nur zu sprechen? So sicher, wie ich dein Sohn bin, werde ich auch in Zukunft denken und sagen, was ich will.«
    Er funkelte mich an. »Nur ein Narr scherzt über Dinge, die er nicht versteht, und dich habe ich bisher nie für einen Narren gehalten, mein Sohn.«
    Um nicht etwas zu sagen, was ich später bereuen würde, drehte ich mich um und ging davon. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte ich schließlich doch und blickte über die Schulter zurück.
    »Und was wäre das?«, knurrte mein Vater.
    »Dass es kein Scherz war!«
    Murdos unvernünftiger Eigensinn bestärkte mich noch in meiner Entschlossenheit, wie ich gestehen muss. Ich dachte an all die Dinge, die mir Torf-Einar über das Heilige Land erzählt hatte, und stellte mir vor, wie es wohl sein mochte, dorthin zu ziehen.
    An diesem Tag arbeitete ich nicht auf dem Bau; stattdessen verbrachte ich ihn auf einem Boot jenseits der Landspitze, um dort mit drei Pächtern Makrelen fürs Räucherhaus zu fangen. Da der Fang gut war, kehrten wir erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück, und dann verbrachten wir noch die halbe Nacht damit, die Fische auszunehmen, um sie am nächsten Morgen direkt ins Räucherhaus zu bringen. Am anderen Tag war ich gerade damit beschäftigt, Makrelen an die Birkenstangen zu hängen, als Abt Em-lyn sich mir näherte.
    »Also hat mein Vater jetzt dich geschickt, um mich zu tadeln«, sagte ich spöttisch. »Ohne Zweifel ist er es leid, diese Last allein zu

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