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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Wartet!«
    Ich erkannte die Stimme; es war Padraig.
    Ich wollte mich jedoch nicht von meinem Vorhaben abbringen lassen, und so ignorierte ich die Stimme und watete entschlossen weiter. Dann hörte ich das Platschen von Schritten; Padraig folgte mir. Noch immer reagierte ich nicht und ging tiefer ins Wasser hinein.
    »Duncan!«, rief der Mönch. »Hierher, Duncan! Ich habe etwas für Euch!«
    Ich ignorierte ihn weiterhin. Das Wasser reichte mir nun bis zum Hals, und die Wellen zogen an mir und hoben mich von den Füßen. Padraig rief mir erneut etwas hinterher ... und dann hörte ich noch eine andere Stimme: die Stimme eines ängstlichen, weinenden Kindes. Als ich daraufhin über die Schulter zurückblickte, sah ich den Mönch mir mit Caitriona in den Armen folgen. Der Anblick meiner Tochter war so unerwartet, dass ich stehen blieb und mich umdrehte.
    »Was soll das?«, rief ich. »Bringt sie weg von hier!«
    Padraig watete näher, und, meine liebste Cait, dein winziges Gesicht war von Angst verzerrt und du strecktest die Hände nach mir aus, auf dass ich dir helfen und dich retten möge - vor dem Wasser, der Nacht und der Fremdartigkeit dessen, was hier geschah.
    »Na, kommt schon!«, rief Padraig. »Wollt Ihr etwa gehen, ohne Eurer Tochter Lebewohl zu sagen? Besser noch: Warum nehmt Ihr sie nicht mit?« Er streckte mir das Kind entgegen.
    »Bringt sie zum Ufer zurück, Ihr Narr!«, brüllte ich wütend.
    Padraig schüttelte den Kopf.
    Ich funkelte ihn an. »Seid Ihr wahnsinnig geworden?«
    »Hier«, sagte er und hielt sie mir erneut entgegen. Cait begann zu kreischen, als ihre Beine das kalte Wasser berührten. »Nehmt sie,
    und macht der Sache ein Ende. Es wäre eine Gnade.«
    »Ihr seid wahnsinnig«, knurrte ich.
    »Vielleicht«, gestand mir Padraig zu. »Trotzdem wäre es besser, glaube ich, wenn sie in den Armen ihres liebenden Vaters stürbe, als beide Eltern zu verlieren, bevor sie alt genug ist, sich an sie zu erinnern. Wenn Ihr Eurem Leben ein Ende machen wollt, dann bitte. Aber dann könnt Ihr genauso gut dem ihren ein Ende setzen.«
    Außer mir vor Zorn stapfte ich zurück und riss ihm das Kind aus den Händen. »Törichter Pfaffe! Ihr wisst nichts über Kinder. Gar nichts!«
    »Das stimmt«, erwiderte er schlicht. »Aber ich weiß, dass das Wasser eiskalt und die Nacht weit fortgeschritten ist, und ich vermisse mein warmes Bett. Können wir jetzt vielleicht zurückgehen?«
    Das schreiende Kind in den Armen, watete ich ans Ufer. Schweigend kehrten wir dann zum Dun zurück; als wir das Haus erreichten, hatte Cait zu weinen aufgehört. Padraig verabschiedete sich von mir, und ich ging hinein, wickelte mein geliebtes Mädchen in einen warmen Umhang ihrer Mutter und brachte sie zu Bett. Dann blieb ich neben ihr sitzen, bis sie eingeschlafen war.
    Schließlich schlief ich ebenfalls ein und wurde erst wieder am nächsten Morgen von Stimmen vor der Tür geweckt. Da ich davon ausging, Padraig habe überall herumerzählt, was vergangene Nacht geschehen war, wurde ich verlegen und erwartete, draußen von tadelnden Gesichtern empfangen zu werden. Doch es waren nur einige Frauen aus der Siedlung, die mir und Caitriona etwas zu essen brachten. Sie reichten mir ein paar Körbe und gingen wieder, nachdem sie mir angeboten hatten, wann immer es nötig sei, auf das Kind aufzupassen.
    Die Frauen waren ohne ein weiteres Wort gegangen, trotzdem erwartete ich den ganzen Tag über, dass irgendjemand den Vorfall von vergangener Nacht erwähnen würde. Niemand verlor auch nur ein Wort darüber.
    Nach der Vesper sah ich Padraig aus der Kapelle kommen und ging zu ihm, um ihm dafür zu danken, dass er niemandem von meinem beschämendem Verhalten erzählt hatte. Er blickte mich seltsam an. »Beschämendes Verhalten? Was sollte das wohl sein?«, fragte er.
    »Dass wisst Ihr doch«, murmelte ich ein wenig verärgert, weil er es mich offen aussprechen ließ. »Ich bin zum Meer hinuntergegangen und...«
    »Wie merkwürdig«, unterbrach er mich in sanftem Tonfall, und auf seinem Gesicht war nicht der Hauch von Tücke zu erkennen. »Vergangene Nacht bin auch ich im Schlaf zum Meer gegangen. Nun, sosehr ich mich auch bemühe, ich kann mich nur an sehr wenig erinnern.« Er beugte sich zu mir. »Unter uns gesagt, ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr dem Abt gegenüber nichts davon erwähnen würdet. Nach dem Nachtgebet dürfen wir das Kloster nämlich nicht mehr verlassen.«
    »Nun«, erwiderte ich, »Euer Geheimnis ist bei mir sicher. Seht nur

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