Der Gast des Kalifen
dass diese Gegenstände einst einem der Herrscher gehört hatten, der einen der zerstörten Paläste auf den Hügeln bewohnt hatte.
»Ich vermute, sie werden ihren Fund abgeben müssen«, bemerkte ich unschuldig. »Wie immer, so wird auch hier irgendjemand einen besseren Anspruch auf den Schatz haben als jene, die ihn gefunden haben.« Wieder verriet mein Tonfall meine wahre Absicht. Die anderen betrachteten mich mit offenem Missfallen. »Was? Darf ich denn keine eigene Meinung mehr haben?«
Nach ein oder zwei misslungenen Versuchen, mich den Unterhaltungen anzuschließen, gab ich auf und fiel in ein missmutiges, nervöses Schweigen. Im Laufe des Abends empfand ich es als zunehmend schwierig, einfach nur ruhig dazusitzen und dem Geplapper der anderen zuzuhören. Ich nippte an meinem Wein, knabberte an meinen Oliven und versank mehr und mehr in Trübsinn. Als ich das Geplapper schließlich nicht länger ertragen konnte, stand ich so abrupt auf, dass ich meinen Wein verschüttete. Ich knurrte eine Entschuldigung und erklärte, dass ich mich nun zurückziehen würde; ich sagte, die Sonne hätte mir den Kopfverbrannt und aus diesem Grund würde ich jetzt zu Bett gehen.
Und dort fand mich Padraig später dann auch. Er hatte sich noch eine ganze Weile mit Sydoni und Jordanus unterhalten, und nun sah er mich wach in meinem Bett. Ich hatte mich die ganze Zeit über unruhig hin und her gewälzt und konnte nicht einschlafen. Einen Augenblick lang stand er über mir, und auch wenn ich sein Gesicht in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, so wusste ich doch, dass er empört über mich war. Ich tat mein Bestes, ihn zu ignorieren.
»Ich weiß, dass du nicht schläfst«, sagte er schließlich in scharfem Tonfall.
»Ist das ein Wunder? Wenn du die ganze Nacht vor meinem Bett stehst, wird keiner von uns schlafen können.«
»Nicht ich bin es, der dich nicht schlafen lässt; es ist dein schlechtes Gewissen.«
Das war ungerecht. Ich setzte mich auf. »Schlechtes Gewissen! Weswegen sollte ich wohl ein schlechtes Gewissen haben?«
»Du weißt, was du getan hast«, sagte Padraig. »Dein eigenes Herz verdammt dich.«
»Ich habe nichts getan - es sei denn, jedermann mit ausgesuchter Höflichkeit zu behandeln ist neuerdings einen Tadel wert.«
»Wenn ich dich tadele«, sagte Padraig mit unverhohlener Verachtung, »dann nur, weil du es verdienst. Jedes Mal, wenn Jorda-nus den Mund geöffnet hat, bist du ihm an die Kehle gesprungen. Was hast du dir dabei gedacht? Der Mann ist unser Gastgeber und Wohltäter. Er hat uns auf tausend verschiedene Arten geholfen und im Gegenzug nur unsere Freundschaft verlangt. Doch du behandelst ihn wie den Dreck unter deinen Füßen.«
»Aus welchem Grund sollte Jordanus sich wohl beschweren?«, erwiderte ich trotzig. »Ich war nicht derjenige, der hinter seinem Rücken seine Befehle missachtet hat. Aber wie auch immer. Habe ich ihm nicht vergeben? Warum wirfst du mir das jetzt vor?«
»Jetzt hör dich einmal an . meine Befehle missachtet... Wer bist du denn, dass du anderen Befehle erteilst? Duncan der Große, Duncan der Mächtige hebt sein Bein und lässt einen fahren, und die ganze Welt muss zu seiner Melodie tanzen. Ist es das?«
»Du verdrehst mir die Worte im Mund, lästiger Priester!«, knurrte ich wütend.
»Tu ich das?«, schnaufte er. »Tu ich das wirklich?«
»Ja, das tust du.«
»Vielleicht waren deine Worte ja von Anfang an verdreht.«
»Was willst du denn damit schon wieder sagen?«
»Denk einmal darüber nach. Blick lang und tief in deine Seele, und lass ab von deinem Zorn und deinem sündigen Dünkel. Das steht Euch nicht gut an, mein Herr.«
Er drehte sich um und ließ mich in meiner eigenen Galle schmoren. Sein Tadel traf mich hart - umso mehr, als dass ich wusste, dass er Recht hatte. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, der kluge Priester hatte in meiner Seele gelesen. Stolz wie ich war, nahm ich Jordanus die Mühen übel, die er um meinetwillen auf sich genommen hatte - nicht zuletzt weil ich fürchtete, seine Einmischung würde dazu führen, dass ich den Schwarzen Stamm an die Templer übergeben musste. Und das war noch nicht alles. Ich hasste es, von jemandem abhängig zu sein, auf andere Rücksicht nehmen zu müssen. Während meiner langen Gefangenschaft hatte ich mich daran gewöhnt, niemandem außer mir selbst zu trauen, und nun ärgerte ich mich über die Einmischung anderer in meine Angelegenheiten, auch wenn sie es gut mit mir meinten, und ich betrachtete
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