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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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nie der Gedanke gekommen, dass meine Aufzeichnungen für irgendjemanden von Interesse sein könnten, abgesehen von mir selbst und meiner Familie, die es kümmerte, was mit mir geschah. Doch auch wenn aufden Papyri nichts stand, dessen ich mich hätte schämen müssen, so war ich doch nicht sicher, ob ich wollte, dass jeder meine tiefsten Gedanken las.
    Bevor ich jedoch eine Entscheidung treffen konnte, nickte Padraig eifrig und erklärte: »Das ist eine hervorragende Lösung. Natürlich! Nichts würde uns besser gefallen, als zu wissen, dass Herr Duncans Arbeit anderen auf diese Weise dienen kann.«
    »Da ist noch etwas«, sagte der Abt ein wenig verlegen. »Man hat mich daran erinnert, dass das Scriptorium ein neues Dach braucht. Unnötig zu erwähnen, dass es unserer Arbeit sehr zuträglich wäre, wenn wir nicht eine solche Bedrohung über unseren Köpfen hätten.«
    »Ich verstehe vollkommen«, erwiderte ich. »Es wäre mir eine Freude, die Kosten für ein neues Dach zu übernehmen.«
    Die Brüder Ambrosios und Thomas klatschten freudig in die Hände und priesen unseren Schöpfer, der für die Seinen sorgte. Wir dankten den Brüdern für ihre Umsicht und Rücksichtnahme und sprachen den Zeitpunkt ab, wann wir die Kopie holen kommen sollten. Dann, lange bevor die Sonne den Zenit erreicht hatte, befanden Padraig und ich uns bereits wieder auf dem Weg zurück nach Paphos.
    Am Abend des folgenden Tages trafen wir dort ein und erfuhren, dass Jordanus verschwunden war.

    ohin ist er gegangen?«, fragte ich. Unglauben ließ meine Stimme barsch klingen. Zorn flammte in mir aufund brannte heiß wie die Sonne in meinem Kopf, auch wenn ich mein Bestes gab, ihn zu unterdrücken.
    Sydoni biss sich auf die Lippe. Sie wusste, dass ich verärgert war, und war es leid, die Wahrheit vor mir zu verbergen - auch wenn das bedeutete, der Absicht ihres Vaters zuwiderzuhandeln. »Er ist nach Famagusta gegangen«, antwortete sie scheu. »Er hat Wazim mit-genommen. Ich weiß, dass du gesagt hast.«
    »Wann?«, verlangte ich zu wissen. »Wie lange ist er schon fort.«
    »Er ist am selben Tag abgereist, als ihr zum Kloster geritten seid. Ich vermute, du hast das Recht, wütend zu sein. Aber er versucht doch nur, dir zu helfen.«
    »Es wird uns aber nicht helfen, wenn die Templer uns hier finden.«
    »Er hat versprochen, nichts ohne deine Zustimmung zu tun«, erwiderte sie halbherzig.
    »Dann hätte er überhaupt nicht erst gehen sollen!«, schnappte ich.
    »Er will nur nach seinen Geschäften sehen - weiter nichts.« Sie nahm eine abwehrende Haltung ein. »Hab keine Furcht. Mein Vater wird dein kostbares Geheimnis schon nicht verraten.«
    »Es war dumm, so etwas zu tun!«
    »Haltet Frieden!«, rief Padraig, der in eben diesem Augenblick den Hofbetrat. »Wenn ihr nicht sofort damit aufhört, wird bald die ganze Insel wissen, was hier los ist.« Er ermahnte uns, mit dem Geschrei aufzuhören, und ging ins Haus, um nachzusehen, ob das Heilige Kreuz noch immer sicher in der Kiste unter seinem Bett lag.
    Sosehr ich es mir auch anders gewünscht hätte, Jordanus war verschwunden, und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Dennoch schäumte ich vor Wut, und schließlich sandte Padraig mich auf die Straße hinaus; ich sollte mir den Zorn aus dem Leib laufen. Ich stapfte im Licht der heißen Sonne einher und spürte die Hitze aufmei-nem Rücken. Bald war meine Kleidung schweißdurchtränkt, und ich war müde, doch auch wenn die Erregung noch immer in mir glühte, so fehlte mir doch die Kraft, sie noch länger am Leben zu erhalten. Ich blieb stehen und schaute mich um. Ich stand vor einer der alten Ruinen, die in diesem Teil der Insel überall in den Hügeln zu finden waren.
    Die Ruine war wenig mehr als nur ein mit Olivenbäumen und Brombeersträuchern überwucherter Steinhaufen; doch hier und da war noch eine umgestürzte Säule zu erkennen, ein Torbogen oder ein Teil einer Wand, der wie der Knochen einer riesigen Kreatur aus den umliegenden Trümmern ragte. Schließlich verflog mein Zorn, und ich setzte mich auf das verzierte Kapitel einer umgestürzten Säule im Schatten einer halb toten Palme, um mich auszuruhen und wieder zu sammeln. Von meinem Sitzplatz aus konnte ich die Bucht überblicken, und ich beobachtete ein paar Fischerboote, die von ihrer Arbeit zurückkehrten. Von Jordanus' Schiff war jedoch nichts zu sehen.
    Padraig und ich waren gegen Mittag in Paphos eingetroffen, und als wir in Sichtweite der flachen Bucht gekommen waren, wurde ich

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