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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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zum Hafen schicken und sie holen lassen, damit sie uns Gesellschaft leisten können.«
    Unnötig zu sagen, dass wir die Einladung mit unziemlichem Eifer annahmen, und wir alle genossen ein üppiges Mahl in Bezus großartigem Haus auf einem Hügel über der Stadt. Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als wir uns schließlich vom Tisch erhoben, unserem Gastgeber Lebewohl wünschten und wieder zum Boot zurückkehrten; daher standen wir auch erst spät am nächsten Morgen auf. Während wir uns aufs Ablegen vorbereiteten, erschien unser großzügiger Gastgeber vom gestrigen Abend mit einem großen Stoffbeutel.
    »Ah! Ich hatte gehofft, Euch hier zu finden. Vom Festmahl vergangene Nacht ist noch so viel übrig geblieben, dass ich mir dachte, Ihr könntet einiges davon vielleicht mit auf die Reise nehmen«, sagte er und gab den Beutel Sarn, der ihn sofort im Boot verstaute. »Und ich habe Euch auch noch das hier gebracht.« Bezu nahm eine kleine Börse vom Gürtel und warf sie mir zu. »Für das Ausliefern der Dolche. Ich hätte ohnehin jemanden anheuern müssen, also kann ich es jetzt genauso gut auch Euch geben.«
    Ich wollte das Geld gerade ablehnen, als Padraig aus dem Boot sprang und den alten Mann umarmte. »Gott segne Euch, mein Freund«, sagte er. »Möge das Licht des Himmels Euch stets auf den rechten Weg führen, und möge der Herr der Heerscharen Euch persönlich begrüßen, wenn Ihr dereinst in sein Reich einkehrt.« Dann verneigte er sich respektvoll.
    Bezu, den dieses unerwartete Ritual offensichtlich ein wenig aus der Fassung brachte, errötete, und da er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen, erklärte er, dies sei nur ein normales Geschäft gewesen, und lächelte. Wir wünschten einander Lebewohl und legten ab. Der Waffenschmied stand am Ufer und blickte uns hinterher. Ich winkte ihm zu und rief ihm einen letzten Abschiedsgruß zu. Dann drehte ich mich um in Richtung Marseille und hoffte, dass wir nicht bereits zu spät waren.
    aitriona, Herz meines Herzens, nun müssen wir all unseren Mut zusammennehmen. Der Tag, da sich mein Schicksal erfüllt, ist nahe. Der Kalif ist zurückgekehrt.
    Man hat mir gesagt, dass man mich bald zu ihm rufen würde. Wa-zim Kadi, mein liebenswürdiger sarazenischer Gefängniswärter, hat mich aufgefordert, mich darauf vorzubereiten. Morgen oder übermorgen wird man mich vor Kalif al-Hafiz führen, wo ich für meine Verbrechen Rede und Antwort stehen soll.
    Wie ich bereits gesagt habe und jetzt noch einmal wiederholen möchte, ist der Ausgang dieser Begegnung ungewiss. Den Tod fürchte ich jedoch nicht. Ich bereue nur, dass ich dich, meine Seele, niemals wiedersehen werde. Ich hatte nur gehofft, noch Zeit genug zu haben, dies hier zu beenden: mein Testament. Doch es scheint, als hätte unser Erlöser in seiner Weisheit ein anderes Schicksal für mich bestimmt.
    Ich lese die Seiten, die ich bisher geschrieben habe, und meine Seele weint. Es gibt noch so viel mehr, was ich dir sagen will. Ich verzweifele bei dem Gedanken, dass dich nur Bruchstücke meiner Geschichte erreichen werden; doch ich fürchte, die Zeit war von Anfang an gegen mich, und so kann ich vielleicht von Glück reden, dass du zumindest dieses Wenige in Händen hältst, das ich noch habe niederschreiben können.
    Nun, ohne Zweifel war es von Anfang an so bestimmt.
    Mir ist nur zweierlei geblieben, was ich dir geben kann, und das sind meine ewige Liebe und dieses unfertige Schriftstück, das mein Zeuge dafür sein soll, dass ich in diesen, meinen letzten Stunden auf Erden nur an dich gedacht habe, meine geliebte Tochter.
    Wazim versichert mir, dass mein Brief mit allem ihm gebührenden Respekt behandelt werden wird, und ich habe das Versprechen des Kalifen, dass man ihn dir überbringen wird. Ich vertraue darauf. Das Wort des Kalifen ist unumstößlich. Dennoch habe ich den treuen Wazim gebeten, die Papyri auf irgendeine Art den Templern zukommen zu lassen, sollte es notwendig sein, denn diese werden schon einen Weg finden, dir meine letzten Worte zu übermitteln. So kann ich in Frieden und in dem Wissen ruhen, dass du noch ein letztes Mal von deinem dich liebenden Vater hören wirst - wenn auch aus dem Grab. Denn wenn du dieses Schriftstück in Händen hältst, werde ich schon lange tot sein.
    So muss ich nun hier zum Ende kommen. Mangels Zeit wird meine Geschichte unvollendet bleiben. Ich habe auch noch einen zweiten Brief an meinen Vater und meine Mutter vorbereitet. Falls er durch irgendeinen

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