Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
Vom Netzwerk:
endlich!«
    Die Kinder kicherten, Susannas Schwester Anna am lautesten. Hannes runzelte die Stirn. »Woher willst du das wissen?«
    »Aus der Zeitung«, rief Anna.
    »Ihr könnt lesen?«
    »Natürlich.« Susanna rümpfte die Nase.
    »Der Vater liest der Mutter immer vor«, krähte die Kleine. »Nach der Abendandacht, und wir hören heimlich zu. Sechzehn ist Durchlaucht, französisch hat er gesprochen, und schüchtern ist er. Und verliebt.« Die Kinder lachten. »Und im nächsten Jahr wird die Hochzeit gehalten – 1613 annidomino.«
    »Anno domini«, verbesserte Susanna.
    Einmal im Monat kam der Vater mit vier bedruckten Blättern aus Heidelberg zurück, die er »Zeitung« oder »Straßburger Relation« nannte. Die Postkutsche brachte sie dem Zunftvorsteher der Tuchmacher mit, der gab sie dem Onkel weiter, wenn er sie gelesen hatte, und der Onkel, wenn er sie abgeschrieben hatte, gab sie dem Vater, und der Vater gab sie erst den Gesellen und verbreitete sie dann unter den Handschuhsheimern, die lesen konnten.
    »Ich hab’s auch gelesen«, behauptete Hannes, und weil sein Gesicht so trotzig war, glaubte Susanna ihm kein Wort. Hatten sie je eine Zeitung hier oben im Wald gesehen? Wenn ihre Mutter recht hatte, wussten diese Bauern hier oben nicht einmal, was eine Zeitung war.
    »Französisch oder deutsch, schüchtern oder verliebt – jedenfalls muss ich dich erwählen.«
    »Jetzt komm schon!« Susanna stampfte mit dem Fuß auf; es gefiel ihr nicht, aus ihrer feierlichen Hochzeitswelt gerissen zu werden. »Das hier ist der Altar.« Sie deutete auf einen Leiterwagen. Zwei kleine Jungen hockten darin, rotznasige, in alte Hemden gewickelte Zwillinge. Beide nuckelten an triefenden Sauglumpen. »Komm her.«
    »Nein.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muss dich erwählen, und ich muss dich zum Altar führen. Ich spiele doch keinen Unsinn!«
    Sie presste die Lippen zusammen und blitzte ihn an. Einmal tief durchgeatmet, dann machte sie kehrt, verließ den Raum vor dem Altar, stapfte durch das Gotteshaus und ging zurück auf die andere Seite des Baches. Da endlich stand er auf, kam herüber und fasste sie unter den Arm. Gemeinsam schritten sie über die Brücke.
    Im Hof, vor dem Haus, waren die Erwachsenen handelseinig geworden; Susanna bemerkte es beiläufig. Die Bäuerin, Hannes’ Mutter, packte Honiggläser und Schnapsflaschen in Körbe, Hannes’ älterer Bruder trug Säcke mit Färber-Ginster zum Wagen,und sein Vater, der Bauer Hans Stein, sah zu, wie Susannas Vater Münzen auf den Tisch zählte.
    Und die Mutter? Sie äugte zu ihr herüber, wirkte seltsam steif, und obwohl sie einen Steinwurf weit entfernt hinter dem Fass saß, sah Susanna die steile Falte zwischen ihren Brauen, sah die kalte Blässe ihres strengen Gesichts. Die Mutter war nicht gern mitgekommen, der Vater hatte erst mit ihr schimpfen müssen.
    Und jetzt rief sie ihren Namen. »Susanna!« Susanna hörte es nicht, wollte es nicht hören. Schließlich war sie die Tochter des Königs von England, und die hieß nicht Susanna, die hieß Elisabeth Stuart.
    Endlich standen sie vor dem Leiterwagen mit den nuckelnden Rotznasen, vor dem Altar. »Du musst was sagen.«
    Hannes druckste ein wenig herum und murmelte dann: »Ich erwähle dich.«
    Hannes’ jüngerer Bruder, der Friedrich, protestierte. Er hatte wohl schon eine Trauung erlebt. Nicht der Bräutigam, der Priester müsse etwas sagen, behauptete er.
    »Der Pfarrer«, verbesserte Susanna ihn.
    »Jedenfalls nicht der Bräutigam«, beharrte Friedrich, der komme erst am Schluss dran und man brauche einen Priester.
    »Einen Pfarrer«, verbesserte Susanna.
    Friedrich stand auf. Eigentlich brauche man außer dem Priester auch ein Weihrauchfass und den Vater der Braut, aber gleichgültig. Er stellte sich zwischen sie und den Handkarren, schlug ein Kreuz in die Luft vor Susanna und Hannes, tat, als würde er ein Weihrauchfass schwenken, und nuschelte dabei etwas vor sich hin, das wahrscheinlich Lateinisch klingen sollte. Hinter ihm spuckte einer der Zwillingsbrüder seinen Sauglumpen aus und begann zu plärren.
    Schließlich waren sie Mann und Frau. »Und jetzt musst du mich küssen.« Susanna lächelte in das hellblaue Augenpaar.
    Friedrich protestierte schon wieder. Bei der Trauung, derenZeuge er geworden war, hatte er den Bräutigam niemanden küssen sehen. Andere Kinder dagegen schworen, dass der Bräutigam die Braut küssen müsse. Unbedingt.
    »Unser Kurfürst wird die englische Prinzessin

Weitere Kostenlose Bücher