Der Gebieter
einen bestickten Morgenmantel gehüllt, in der Sonne am Fenster, als die Königin erschien. Costis straffte sich zu einer korrekteren Habachtstellung, aber der König schien gar nicht zu bemerken, wie sich die Tür öffnete und schloss. Attolia strich ihm mit der Hand über die Schulter, und er sah sich um und lächelte sie an, wandte sich dann aber wieder der Aussicht zu.
»Heimweh?«, fragte sie.
»Ich denke an Sophos.«
»Ich verstehe.«
»Gibt es etwas Neues?«
Attolia schüttelte den Kopf und ließ sich sanft auf einen Stuhl neben ihn sinken.
»Ornon sagt, es müsste Neuigkeiten geben, wenn er am Leben wäre.«
»Höchstwahrscheinlich«, sagte Attolia. »Mochtest du ihn?«
Der König zuckte mit den Schultern. »Er war sehr liebenswert. Eddis hätte ihn geheiratet.«
»Weißt du, wen sie nun heiraten wird?«
»Sounis, nehme ich an.«
»Aber sie hasst Sounis«, sagte die Königin.
»Sie ist die Königin von Eddis. Königinnen bringen Opfer.«
Attolia schwieg. »Wäre sie mit Sophos glücklich geworden?«, fragte sie dann leise.
»Ich glaube schon. Sie haben eine ganze Anzahl von Briefen ausgetauscht.«
»Ich habe nie verstanden, warum sie dich nicht geheiratet hat.«
Der König lehnte sich mit einem Schnauben weiter zurück. »Vielleicht hat sie die Vorstellung abgestoßen, um den Verstand gebracht zu werden«, sagte er.
Die Königin lächelte. »Was hat sie dann in Sophos gesehen?«
Der König brauchte eine Weile, um eine Antwort darauf zu finden. »Er war gütig«, sagte er schließlich.
»Bist du das etwa nicht?«, erwiderte Attolia scharf.
Nun sah der König sie mit hochgezogenen Augenbrauen erheitert an. Er schüttelte den Kopf.
»Nein«, bemerkte sie nachdenklich, »das bist du nicht, nicht wahr?« Dann senkte sie in scherzhaft geheucheltem Protest den Blick und sagte: »Aber du bist immer gütig zu mir.«
Der König lachte laut auf. Er streckte den Arm aus, und sie lehnte sich an ihn.
»Das war vielleicht eine Lüge!«, sagte er.
Natürlich war der König gütig. Wenn er es nicht gewesen wäre, wäre Costis längst tot. Und die Königin hätte ihn nicht geliebt, wenn er unfreundlich zu ihr gewesen wäre. Costis bemühte sich, die verschlungenen Windungen menschlicher Beziehungen zu enträtseln, die so anders als die hübsch angeordneten Muster einer am Feuer erzählten Geschichte waren, als eine leichte Berührung am Ärmel ihn dazu brachte, sich umzublicken. Phresine versuchte, die Tür zu schließen. Er sah von Phresine zum König und zur Königin und zog sich errötend ins Vorzimmer zurück. Phresine schloss die Tür und ließ König und Königin allein.
Costis sah den König erst am nächsten Morgen wieder. Er kam wie am Vortag zur Schlafzimmertür und traf auf zwei der Kammerherren des Königs, Ion und Sotis, die dort warteten. Ion öffnete die Tür und lächelte hämisch, als Costis hindurchging. Sotis räusperte sich, um Costis’ Ankunft anzukündigen, und der König schaute von den Papieren auf, die er gerade las. Er war angekleidet und saß auf der Bettdecke.
»Was tust du hier?«, fragte er.
Es war wie ein Tritt in die Magengrube und verschlug Costis die Sprache; er zögerte verwirrt.
»Ich brauche dich nicht. Ich bin offiziell genesen«, sagte der König. »Du kannst wieder an deine üblichen Pflichten gehen.« Nach einem Augenblick sah er die Tür hinter Costis mit größerem Nachdruck an, und Costis zog sich wie betäubt zurück. Ion schloss die Tür hinter ihm, und im Vorzimmer musterte Sotis angelegentlich die Kordel an seiner Manschette, als Costis vorüberging.
Zwischen dem Vorzimmer und der Wachstube des Königs dachte Costis darüber nach, worin seine »üblichen Pflichten« wohl bestanden, und kam zu dem Schluss, dass er keine hatte – und gewiss keine, die es umfassten, unter den feindseligen Blicken der Veteranen unschlüssig in der Wachstube der Königin herumzustehen. Er ging durch die Wachstube und durch den ganzen Palast zurück in sein Quartier, ohne stehen zu bleiben. Er warf seine Rüstung ab, beförderte den Brustpanzer mit einem Tritt unter das Bett und fluchte dann, weil ihm die Zehen wehtaten. Schwer atmend zwang er sich, den Brustpanzer wieder hervorzuziehen und ihn sorgsam an seinen gewohnten Platz zu hängen; anschließend räumte er den Rest seiner Dienstrüstung weg. Weniger förmlich gekleidet ging er dann in den Speisesaal hinunter. Vielleicht würden seine Kameraden ja nicht so feindselig sein wie die Veteranen.
Doch
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