Der Gebieter
Lügner sei. Der Trupp, den Teleus für ihn zusammengestellt hatte, bestand aus ein paar älteren Männern ohne festen Posten und einigen Rekruten, die gerade erst die Ausbildungsbaracken verlassen hatten. Die altgedienten Soldaten brachten die Rekruten auf den neuesten Stand, und sie musterten Costis die ersten paar Tage mit großen Augen. Costis war zwar übellaunig, aber auch gerecht, und sie machten ihm keine Schwierigkeiten.
An den Abenden, an denen Costis keinen Dienst hatte, kam er zu dem Schluss, dass er auf die Gesellschaft der anderen Gardisten keinen Wert legte, und zog durch die Schenken der Stadt Attolia. Dreimal geriet er in Schlägereien. Er musste irgendeinen besonderen Fluch auf sich gezogen haben, denn was sich auf ein paar Fausthiebe hätte beschränken sollen, wuchs sich zu einem Kampf mit Messern und zerbrochenen Möbeln aus. Beim dritten Mal wurde er von der Wache aufgegriffen und vor Teleus gebracht, der ihn musterte, als sei er ein Fremder, und ihn daran erinnerte, dass er zum gemeinen Soldaten degradiert oder aus
der Garde ausgeschlossen werden konnte, wenn er seinem Rang Schande machte.
Costis versuchte, sich die Warnung zu Herzen zu nehmen, aber irgendwie wurde er am nächsten Tag wieder in einen Kampf verwickelt. Er stand vor einer Weinschenke, als zwei Betrunkene ihn ansprachen, vorgaben, Veteranen zu sein, und von ihm verlangten, sie für ihre Dienstzeit zu ehren, indem er ihnen noch eine Flasche Wein kaufte. Das war eine gängige Masche, und Costis versuchte sich an ihnen vorbeizudrängen, nachdem er abgelehnt hatte. Die Betrunkenen waren beleidigt, und es hätte wohl ein unschönes Ende mit Costis genommen, wenn nicht ein fremder Passant eingegriffen hätte. Einer der Betrunkenen packte Costis am Arm, während der andere ein hässliches Messer aus der Tunika zog. Zum Glück war der Fremde da, um dem messerschwingenden Angreifer mit einem Hocker aus der Schenke eins über den Schädel zu geben. Als die Betrunkenen sahen, dass sie nicht mehr in der Überzahl waren, verloren sie schnell das Interesse an dem Kampf und stolperten davon. Costis dankte dem Fremden, der einen Blick auf den Menschenauflauf warf, der sich bildete, und vorschlug, dass er und Costis sich ebenfalls davonmachen sollten, bevor sie die Sache noch der Stadtwache erklären mussten. Costis hielt das für einen weisen Rat; es gelang ihm, mit der Menge zu verschmelzen und in die Baracken zurückzukehren, ohne dass es abermals Grund gegeben hätte, ihn vor den Hauptmann der Leibgarde zu zitieren.
Als Costis auf seinem Bett saß und seine Sandalenriemen löste, gestand er sich ein, dass er Streit gesucht hatte. Jeden Tag hatte er sich gesagt, dass der König ihn nicht mehr brauchte und ihn deshalb entlassen hatte – daran war nichts Ehrenrühriges. Er war seinem König wertvoll gewesen, und es hätte ihn glücklich machen sollen, das zu wissen. Könige sind Könige und nicht zu
durchschauen. Das hatte Eugenides im Palastgarten deutlich gemacht. Costis missverstand etwas. Das war alles. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er besser dran war als die Kammerherren des Königs, die sich mit ihrem anhaltenden Argwohn und ihrer Ehrerbietung Eugenides gegenüber lächerlich machten. Niemand schenkte den Warnungen Glauben, die sie nach Erondites’ Sturz ausgesprochen hatten. Wenn die Höflinge jetzt vorsichtiger mit dem König umgingen als zuvor, dann nur, weil sie glaubten, dass er ein Werkzeug der Königin war. Wie Costis gehört hatte, kam der König dem Hofstaat so harmlos wie immer vor, und die Kammerherren machten sich lächerlich. Costis hätte sich freuen sollen, dass ihm das erspart blieb. Er ging ins Bett und wünschte sich, er hätte alles glauben können, was er sich einredete.
Währenddessen ging Aris in seinem winzigen Quartier nicht weit entfernt auf und ab. Anders als Costis tat er noch immer Dienst im Palast. Im Dienst begegneten sie einander nie, und Costis schien immer schon in die Stadt verschwunden zu sein, wenn Aris nach ihm suchte. Aristogiton wollte wissen, wer das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, dass das Attentat nur vorgetäuscht gewesen sei. Er befürchtete, es schon zu wissen – und dass es Laecdomon gewesen war.
Kapitel 12
Die Königin von Eddis saß an einem mit Papieren überhäuften Schreibtisch. Sie hatte Tinte an den Fingern und einen Fleck auf der Wange. Sie blickte von ihrer Arbeit auf und lächelte, als der Magus von Sounis ins Zimmer geführt wurde. »Wie geht es meinem
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