Der Gebieter
wenn überhaupt, dann waren sie noch schlimmer. Ihr unerklärliches Mitleid war dicker aufgetragen und schwieriger zu ignorieren als jede Feindseligkeit. Eher noch verärgerter als getröstet, machte Costis sich auf die Suche nach Aristogiton und trieb ihn in einem Durchgang zwischen zwei Baracken in die Enge, als sein Freund gerade vom Dienst kam.
Ohne Einleitung begann er: »Was zur Hölle geht hier vor?« Er fragte, obwohl er es zu wissen glaubte.
»Was meinst du damit?«, erwiderte Aris mit einer Unschuld, die selbst in seinen eigenen Ohren geheuchelt klang; er zuckte beim Sprechen zusammen.
»Erzählst du es mir freiwillig, oder muss ich es aus dir rausprügeln?«
»Costis, warum gehen wir nicht einfach …«
»Hier«, sagte Costis, »und jetzt.«
»Wenn du darauf bestehst …«
»Das tue ich.«
»Sie glauben, dass das Attentat gestellt war. Vielleicht waren die Meuchelmörder echt, oder selbst die nicht. Was sie jedenfalls wirklich glauben, ist, dass du zusammen mit Teleus die Männer getötet hast, die den König angegriffen haben, und dass er den Ruhm dafür einstreicht.«
»Sie glauben, er hätte gelogen?«
»Er ist ja schließlich ein Lüg…«
»SIE GLAUBEN, ICH HÄTTE GELOGEN?«
Costis wandte sich ab, und Aris setzte ihm nach, um ihn beim Arm zu packen. Costis riss sich los und wollte den Durchgang schon in die Richtung, aus der er gekommen war, zum Speisesaal hinuntereilen, aber Aris kannte seinen Freund zu gut. Er packte ihn erneut und hielt ihn diesmal stärker fest.
»Was tust du?«, fragte Costis und versuchte, sich loszumachen.
»Was tust du ?«, fragte Aris und weigerte sich, ihn loszulassen.
»Ich werde allen erzählen, dass ich kein Lügner bin, und jeden totschlagen, der behauptet, dass ich einer wäre!«
»Nein, das tust du nicht«, sagte Aris. »Wirklich nicht. Auf die Weise wirst du niemanden überzeugen.«
»Wie denn dann?« Er starrte Aris an; sein Blick wurde härter, und Aris wich zurück. »Was ist mit dir?«, fragte Costis. »Du warst dabei. Warum hast du es ihnen nicht erzählt?«
»Ich war nicht dabei«, sagte Aris. »Nicht, als die Attentäter gestorben sind. Als ich mit meinem Trupp ankam, war schon alles vorbei.«
»Aber du glaubst mir.«
»Natürlich«, sagte Aristogiton.
Costis legte Aris die Hände auf die Brust und stieß ihn heftig von sich. Aris prallte gegen eine nahe Wand. »Nein, tust du nicht«, sagte Costis verbittert.
»Ich habe seit dem Attentat nicht mehr mit dir gesprochen«, sagte Aris, genauso wütend wie Costis. »Woher hätte ich es also wissen sollen? Costis, du schuldest ihm etwas. Du hast ihn niedergeschlagen, so dass er flach auf dem Rücken gelandet ist, und er hat dich davonkommen lassen. Woher hätte ich denn wissen sollen«, sagte er noch einmal, »dass er die Schuld nicht eingefordert hat – und dass du ihn nicht aus deinem vermaledeiten, törichten Patronoi-Ehrgefühl heraus damit hast durchkommen lassen?«
»Du hättest es wissen müssen!«, schrie Costis und zügelte sich dann. Er konnte falsch und richtig nicht mehr voneinander unterscheiden und nicht einmal die einfachsten Geschehnisse verstehen. Er war von einer verworrenen Wendung seines Lebens nach der anderen überrumpelt worden, seit der Dieb von Eddis König geworden war. Wie hatte er da annehmen können, dass Aris es besser wusste? »Entschuldige bitte. Es tut mir sehr leid.« Er ging davon.
»Costis, warte.« Aris griff nach seinem Ärmel.
Costis schüttelte ihn ab, und diesmal versuchte Aris nicht, ihn zurückzuhalten.
Am Morgen wurde Costis ins Schreibzimmer des Hauptmanns bestellt. Teleus teilte ihm knapp mit, dass er nun wieder Truppführer sei. Er würde einen Trupp bekommen, aber nicht denselben
wie zuvor, und auch nicht in derselben Centurie. Seine Habseligkeiten sollten von seinem Quartier bei den anderen Leutnants in die Räume über dem Speisesaal in einer der Baracken gebracht werden. Genauso kurz angebunden nahm Costis seinen neuen Posten an und durfte wegtreten; er ging zur Tür.
»Costis«, rief Teleus ihn zurück. »Wenn du dir anmerken lässt, dass du verärgert bist, wird das nur jedes wilde Gerücht umso glaubwürdiger machen.«
»Danke, Hauptmann«, sagte Costis. »Ich werde versuchen, das nicht zu vergessen.«
Costis verlieh seiner Empörung nicht in einer Rede vor der Garde beim Abendessen Ausdruck, aber er erwiderte jeden mitfühlenden Blick so starr, als wollte er alle herausfordern, ihm ins Gesicht zu sagen, dass er ein
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