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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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vor die Königin, und langsam scharten sich die Menschen, die sich noch im Thronsaal aufhielten, um sie. Costis’ Abgeschlagenheit verflog.
     
    »Sie wurden gleichzeitig oder beinahe gleichzeitig festgenommen« , sagte Relius.
    »Am selben Ort?«
    »Nein, Euer Majestät. Einer in Ismet, einer in Zabrisa, einer in der Hauptstadt.«
    Zabrisa und Ismet waren die Namen medischer Städte. Zabrisa lag, wie Costis wusste, an der Küste. In dem Zimmer, in dem der König sich mit seinem Medisch-Lehrer traf, hing eine Landkarte des Meder-Reichs, aber Costis konnte sich nicht erinnern, Ismet darauf gesehen zu haben.
    »Also hat der Erste, der verhaftet wurde, die anderen nicht verraten?«
    »Nein, Euer Majestät. Keiner von ihnen wusste auch nur von den anderen.«
    »Dann habt Ihr einen großen Riss in Eurem Netz.«
    »Davon gehe ich aus. Einen unermesslich großen, Euer Majestät. Ich habe Quellen, die mich längst von diesen Vorgängen hätten in Kenntnis setzen sollen … wenn sie dazu in der Lage gewesen wären.«
    »Ich verstehe«, sagte die Königin. Attolias Spione im Meder-Reich waren seltsam stumm. So verängstigt, dass sie in Deckung gegangen waren, vermutete Costis  – oder tot.
    »Wer verrät uns, Relius?«, fragte Attolia.
    »Meine Königin, das werde ich bis morgen um diese Zeit herausgefunden haben, das schwöre ich.«
    Attolia wandte sich den Männern zu, die vor ihr standen. »Wie kommt es, dass ihr zurückgekehrt seid, wenn der medische Kaiser euch hat festnehmen lassen?«
    »Euer Majestät, wir sind Boten vom Erben des Kaisers.«
    »Und Eure Botschaft?«
    »Er rüstet eine Armee gegen Euch aus, Euer Majestät. Uns wurden die Vorkehrungen für die Streitkräfte vorgelesen, das Aufgebot an Männern, Waffen und Nahrungsmitteln.«
    »Holt Stühle für sie«, befahl die Königin. Nachdem man sich
sanft um die beiden noch stehenden Männer gekümmert, sie in Stühle gesetzt und mit Kissen gestützt hatte, sagte sie: »Fahrt fort.«
    »Die Armeen, die er zusammenzieht, sind riesig, Euer Majestät. Das ganze Reich wird gegen uns aufgeboten.«
    »Auch der Kontinent verfügt über Armeen und wird nicht zulassen, dass wir einfach überrannt werden.«
    Aber der Spion schüttelte den Kopf. »Der mutmaßliche Erbe lässt Euch ausrichten, dass der Kontinent sich nicht aufs Hörensagen verlassen und nicht rechtzeitig etwas unternehmen wird. Seine Streitkräfte sind über das ganze Reich verteilt, und er wird sie dort behalten, bis die Flotte bereit ist. Er wird leugnen, dass er eine Invasion plant, bis er seine Armee im Hafen zusammenziehen kann. Wenn die Meder erst die Halbinsel überrannt haben, werden den Größeren Mächten keine einfachen Mittel mehr zu Gebote stehen, um sie wieder loszuwerden. Der Erbe sagt, dass sie es noch nicht einmal versuchen werden. Sie haben ihre eigenen Kämpfe untereinander auszufechten.«
    »Der künftige Kaiser der Meder ist in der Tat sehr selbstsicher, wenn er Euch mit einer Botschaft über seine Pläne zu mir schickt. Meiner Erfahrung nach ist das Selbstbewusstsein meines Gegners gewöhnlich mein größter Trumpf, Patronoi.«
    »Ich stamme aus einer Okloi-Familie, Euer Majestät. Wir haben kein eigenes Land«, sagte der Mann bescheiden.
    Die Königin widersprach: »Ihr habt Attolia alle drei gut gedient. Ihr werdet Land erhalten. Der Sekretär wird dafür sorgen.« Relius führte die Männer davon.
     
    Als sie gegangen waren, machte die Königin keine Anstalten, mit der Audienz fortzufahren. Sie starrte ins Leere. Am Ende sprach der König.
    »Die Meder kommen früher zurück, als du erwartet hast.«
    »Nicht unbedingt«, sagte die Königin. »Der alte Kaiser ist noch am Leben. Der Erbe kann nichts unternehmen, solange er nicht selbst auf dem Thron sitzt. Aber er festigt seine Macht schneller, als ich gehofft hatte.«
    »Drängt Nahuseresh ihn dazu?«
    Attolia schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, sein eigenes Verlangen treibt ihn an. Relius sagt, dass Nahuseresh weiterhin in Ungnade ist.«
    »Ja. Relius.« Der König hielt inne. »Der Herr über deine Spione ist ein Lügner, und diesmal belügt er … dich«, sagte er langsam.
    Attolia runzelte die Stirn und schüttelte dann fast unmerklich den Kopf.
    »Lass ihn verhaften«, sagte der König und fügte nach einer weiteren Pause unmissverständlich hinzu: »Sofort.«
    Wenn es dem König gelingt, sich meiner zu entledigen, wirst du vielleicht der nächste Hauptmann der Leibgarde. Aber was, wenn der König Relius beseitigte? Wer

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