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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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überraschend interessant, manches widerwärtig und einiges entsetzlich.
    Der König dagegen schien alles langweilig zu finden. Er lümmelte auf dem Thron und starrte seine Füße oder die Decke an. Er schien nie zuzuhören und manchmal sogar zu schlafen, obwohl Costis ihn in Verdacht hatte, nur so zu tun, um zu provozieren. Wenn dem so war, hatte er damit bei der Königin keinen Erfolg. Sie ging ungerührt ihren Regierungsgeschäften nach, als wäre der König nicht da.
    Nur einmal hatte der König aufmerksam gewirkt, und zwar, als einer von Relius’ Männern erste Gerüchte gemeldet hatte, dass die Barone von Sounis sich gegen ihren König erhoben hätten und dass sein Erbe, Sophos, verschwunden und vermutlich von den Aufständischen entführt worden sei. Doch selbst dazu hatte der König nichts gesagt. Er hatte sich bisher bloß ein einziges Mal bei einer Audienz geäußert, und das nur, weil seine eddisischen Ratgeber ihn unverfroren dazu aufgefordert hatten.
    An jenem Tag hatte sich eine lange Debatte darüber entsponnen, wo die eddisischen Truppen einquartiert werden sollten.
Die Barone, bei denen die Truppen in Garnison lagen, kamen für ihren Unterhalt auf, und mehrere hatten sich schon beschwert, wie ungerecht die Belastung verteilt war. Einer der Gehilfen des Botschafters aus Eddis hatte sich an den König gewandt und unverblümt gefragt: »Was meint Eure Majestät?«
    »Was?« Eugenides hatte sich aus einem Tagtraum losreißen müssen. Er hatte die Eddisier finster angestarrt, verärgert darüber, gestört worden zu sein.
    Ornon hatte sich geräuspert. »Baron Anacritus wäre gern der Belastung enthoben, unsere Garnison zu unterhalten. Wir haben gerade darüber gesprochen, wo sonst unsere Truppen stationiert werden könnten.«
    »Baron Cletus wohnt gleich nebenan. Schickt sie dorthin.«
    »Nun ja«, hatte Ornon diplomatisch gesagt, »unsere Ingenieure haben die Beobachtung gemacht, dass dort eine Schlucht liegt, die dafür sorgt, dass diese Postierung taktisch … schwierig ist.« Sie machte die Postierung taktisch nutzlos, da sie Baron Cletus’ Ländereien von jeder wichtigen Straße trennte. Costis hatte gehört, wie das schon zuvor in allen Einzelheiten erklärt worden war. Er hatte ein Seufzen unterdrückt und sich nicht darauf gefreut, alles noch einmal zu hören, aber eine Laune des Königs hatte ihn gerettet.
    Eugenides hatte abgewinkt und leichthin gesagt: »Baut eine Brücke.«
    Viele hatten verstohlen die Augen verdreht, aber der König war um eine Entscheidung gebeten worden, er hatte sie gefällt, und nun musste man sie ernst nehmen. Die Diskussion hatte sich den Erfordernissen des Brückenbaus zugewandt. Später hatte Eugenides sich mit seinem Auftritt gebrüstet, als sie gemeinsam auf dem Weg in die königlichen Gemächer gewesen waren. »Sehr schlau«, hatte die Königin trocken bemerkt. Costis war aufgefallen, dass er danach den Gehilfen des Botschafters
aus Eddis nie mehr gesehen hatte. Niemand sprach den König mehr an, und er gab sich wieder seinen Träumereien hin.
    Er achtete sicher nicht auf den Bericht über die Vorbereitungen zu einer baldigen Reise, die das Königsgefolge zur Erntezeit unternehmen sollte, als die Tür hinter dem Thron aufschwang und Relius zwischen den Wachen hindurchschlüpfte, die dort postiert waren. Er kam von der Rückseite in den Saal, um von hinten an die Throne herantreten zu können, bückte sich und flüsterte der Königin etwas ins Ohr. Wie der Hauptmann der Leibgarde wandte er sich weiterhin nur an Attolia, sofern er nicht gezwungen war, mit Eugenides zu sprechen.
    In Reaktion auf Relius’ Nachricht entließ Attolia einen Großteil des Hofes. Die wenigen Menschen, die noch in dem großen Raum verteilt waren, warteten in fast völliger Stille; das einzige Geräusch rührte von den Schritten des Archivsekretärs her, der über den Marmorboden zur Tür eines Vorzimmers ging. Die Absätze seiner eleganten Lederschuhe klapperten. Der kurze Umhang, der ihm von den Schultern hing, blähte sich über einem Wams, das fast noch reicher bestickt war als der Mantel des Königs. Die Wachen an der Tür öffneten sie auf sein Signal hin, und er ging hindurch, um in Begleitung einiger Männer wieder zu erscheinen, die nur langsam vorankamen: Einer wurde auf einem Stuhl hereingetragen, ein anderer, dessen Augen unter einem Verband verborgen waren, wurde an der Hand geführt. Der dritte Mann ging selbständig, aber so schleppend, als ob er verletzt sei.
    Sie traten

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