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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Krug in alle Richtungen fortsickerte, durch sämtliche Türen bis auf die, durch die die Königin gegangen war; alle wollten auf einmal dringend anderswo etwas zu tun haben.
    Costis, der von der Menschenmenge eingezwängt war, drehte
sich um und eilte ebenfalls davon. Noch nicht einmal in der Schlacht um Thegmis oder bei dem Attentat im Garten hatte er solche Angst gehabt. Die Königin war so dicht an ihm vorbeigekommen, dass er den Luftzug gespürt hatte, und er hatte vermutet, dass er, wenn sie den Kopf nur ein wenig gewandt und ihm in die Augen gesehen hätte, an Ort und Stelle tot zusammengebrochen wäre, so mächtig war ihr Zorn.
    Ohne stehen zu bleiben oder mit irgendjemandem zu sprechen, verkroch er sich wie ein Dachs in seinem Bau. In den Baracken eilte er den steinernen Gang hinunter und schlüpfte durch die enge Tür in sein Quartier. Dort warf er sich aufs Bett, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und zog die Füße hoch wie ein Kind, das sich vor Nachtgespenstern unter dem Bett fürchtet. Er schlang sich die Arme um die Beine und setzte sich auf. Nach einiger Zeit gähnte er. Das Gebäude ringsum war ruhig. Gelegentlich hörte man Schritte im Treppenhaus oder auf dem Hof draußen, aber nichts Ungewöhnliches. Kein Geschrei, kein Fußgetrappel von Leuten, die ausgesandt worden waren, einen einzelnen unbedeutenden Gardisten zu verhaften. Er gähnte noch einmal. Er war die ganze Nacht lang wach gewesen. Er lehnte den Kopf an die Wand und schlief im Sitzen ein.
    Hunger und ein verspannter Nacken weckten ihn Stunden später. Er reckte und streckte sich unter Schmerzen und kam zu dem Schluss, dass er sein Zimmer früher oder später verlassen oder verhungern musste. Es war wohl auch besser, wenn er einen Blick auf den Dienstplan warf. Offiziell hatte er zwar noch drei Tage Urlaub, um mit Aristogiton auf die Jagd zu gehen, aber der Plan konnte aus der Not heraus geändert worden sein, und wenn er noch nicht festgenommen worden war, stand ihm das wohl auch nicht mehr bevor. Vielleicht würde man über die Rolle, die er bei dem Theaterstück im Thronsaal gespielt hatte,
zunächst einmal hinwegsehen und sie später ganz vergessen. Er konnte es nur hoffen. Er ging in den Speisesaal.
    Der Raum war fast leer. Kleine Grüppchen von Männern hatten sich eng zusammengeschart und sprachen so leise, dass ihre Stimmen nur als Gemurmel zu hören waren. Costis schnitt sich etwas Brot und Käse ab, nahm sich ein Schälchen Oliven und schöpfte sich den Eintopf des Tages in eine Schüssel. Er legte das Brot auf den Eintopf, den Käse aufs Brot, balancierte die Olivenschale oben auf dem Käse und hatte so noch eine Hand frei, sich einen Becher mit verdünntem Wein zu holen. Schon bevor er den Stapel wieder auseinandergenommen hatte, war er umzingelt.
    »Gibt es etwas Neues?«, fragten die Männer, die sich auf den Bänken um ihn herum niederließen.
    »Ich war seit der Morgendämmerung in meinem Quartier«, sagte Costis.
    »Dann haben wir Neuigkeiten«, erklärte jemand.
    »Vielleicht«, sagte Costis. »Teleus und die anderen sind freigelassen worden. Das weiß ich schon.«
    »Warst du dabei?«
    »Warst du nicht im Dienst?«
    »Ich war in der Menge.«
    »Oje, das war ein ganz schlechter Aufenthaltsort!«
    »In der Tat«, stimmte Costis zu. »So etwas tue ich nicht wieder.«
    »Und dann bist du in dein Quartier zurückgekehrt? Also hast du sonst noch nichts gehört?«
    »Was denn zum Beispiel?«, fragte Costis argwöhnisch.
    »Zum Beispiel, dass der König und die Königin sich gestritten haben?«
    Costis setzte den Becher ab. Flüsternd erzählten sie ihm das Neueste.
     
    Die Königin war direkt vom Thronsaal in die Gemächer des Königs gegangen. »Ich möchte meinen Herrn Attolis sehen«, hatte sie zornig verlangt. Sie hatte ihn noch nie zuvor mit seinem Königsnamen angesprochen.
    »Ich bin hier«, hatte er geantwortet und war in Nachthemd und Morgenmantel in die Tür getreten, zerknittert und blass, aber entschlossen. Er hatte sie erwartet. Er hatte sich an den Türrahmen gelehnt, um sich abzustützen, während die verblüfften Kammerherren wie Spreu auseinandergestoben waren.
    Während die Königin zornig auf ihn eingeredet hatte, hatte er erst ruhig, dann selbst hitzig geantwortet. »Gibt es denn niemanden, den du bestraft sehen willst?«, hatte die Königin geschrien. »Magst du Teleus mittlerweile so gern, dass du ihm um jeden Preis das Leben retten willst?«
    »Ich habe dich nur gebeten, es dir noch einmal zu

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