Der Gebieter
sie empfangen würde.
»Seine Majestät ist nicht…«
»Lasst sie ein«, sagte der König aus dem Schlafzimmer.
Der Kammerherr zog überrascht die Augenbrauen hoch, winkte Heiro aber zur Tür. Sie trat ans Bett und setzte sich.
Sie unterhielten sich eine Weile mit gesenkten Stimmen. Der
König, der ihre Hand hielt, sagte: »Ich hoffe, Euer Vater weiß zu schätzen, was für eine gute Freundin Ihr mir seid.«
»Danke, Euer Majestät«, sagte sie leise und ging.
Den Rest des Nachmittags über schlief der König.
Kapitel 10
Costis schreckte aus dem Schlaf hoch und fiel dabei von der schmalen Bank. Schläfrig rang er darum, ganz wach zu werden. Er schlief erst seit etwa einer Stunde und hatte überhaupt seit dem Attentat auf den König nur ein paar Stunden geschlafen. Jemand schrie. Die Schreie hatten ihn geweckt. Er rieb sich die Augen, wankte durch die Wachstube und drängte sich zwischen den Männern hindurch, die dort verharrten, stieß Kammerherren aus dem Weg, wenn es nötig war, und fragte sich, warum sie ihm wie Pfeiler im Weg standen. Erst als er die Tür erreichte und selbst mit der Klinke kämpfte, verstand er, warum. Die Tür war verschlossen. Dahinter schrie der König, und sie konnten nicht hinein. Costis hämmerte an die Tür, aber sie war so unverrückbar wie die Zeit selbst. Er brüllte den Kammerherrn an, der hilflos neben ihm stand: »Der Schlüssel! Wo ist der Schlüssel?«
»Wir haben keinen Schlüssel«, schrie Cleon zurück.
Costis warf die Hände in die Luft. Er wirbelte herum, blickte sich im Zimmer um und riss dann dem erstbesten Wachposten, den er sah, das Gewehr aus der Hand. Er lehnte es in die Armbeuge und öffnete die lederne Patronentasche an seinem Gürtel. Selbst im Halbschlaf konnte er das Gewehr laden. Die Bewegungen erfolgten wie von selbst. Er riss die Papierpatrone mit den Zähnen auf, schüttete etwas Pulver auf die Pfanne, schloss sie und kippte den Rest in den Lauf, ließ die noch in Papier gewickelte
Kugel hinterherfallen und rammte sie fest, um dann den Ladestock wieder neben dem Lauf zu befestigen und das Gewehr hochzureißen.
»Zurück«, rief er den Männern zu, die ihn verwirrt beobachteten. »Zurück!«, schrie er noch lauter, als sie sich nicht rührten. Erst, als er die Mündung ans Türschloss setzte, verstanden sie, was er vorhatte, und hechteten in Deckung. Ein Aufblitzen von Licht und ein ohrenbetäubender Knall des Gewehrs. Costis blinzelte, bis das Nachbild des Mündungsfeuers aus seinen Augen verschwunden war, und spähte durch den Rauch. Aus der Tür war ein Stück von der Größe seiner Hand herausgesprengt worden, aber das Schloss hielt immer noch. Costis lud nach. Alle im Raum schrien auf ihn ein, aber niemand hielt ihn auf. Er hob erneut das Gewehr. Diesmal wandte er das Gesicht ab, bevor er feuerte. Als er sich wieder umsah, war das Schloss zu verformtem Metall geworden, und die Tür stand einen Spaltbreit offen. Er schnaufte erleichtert. Er hatte einen Luftzug gespürt, als die zweite Kugel von der Tür abgeprallt und an seinem Ohr vorbeigezischt war. Er wollte kein drittes Mal feuern müssen.
Der König saß aufrecht im Bett; die Laken waren unter ihm verdreht. Er stützte sich mit dem Stumpf seines rechten Arms auf und starrte auf seine blutbedeckte Hand hinab. Sein Nachthemd wies rote Flecken auf. Ansonsten schien das Zimmer leer zu sein, aber Costis sah in jeder Ecke nach und überprüfte die Fenstergriffe, um sicherzugehen, dass kein Eindringling da war, bevor er sich wieder dem König zuwandte; die Knie begannen ihm nach all der Aufregung weich zu werden, und seine Hände zitterten. Zu dem Zeitpunkt war der König bereits von seinen Kammerherren umgeben, die alle Vorschläge riefen.
»Trinkt etwas Wasser, Euer Majestät.«
»Etwas Branntwein?«
»Raus«, sagte der König, die Stimme noch heiser vom Schlaf.
Sie waren Costis noch nie so sehr wie kläffende Hunde erschienen, obwohl er ihnen das nicht zum Vorwurf machen konnte. Alle – ausgenommen vielleicht Sejanus – wirkten erschüttert.
»Nun nehmt doch einen Schluck, Euer Majestät«, sagte einer und hielt ihm ein Glas hin.
»Es war nur ein Albtraum.«
»Ein sauberes Hemd …«
»Geht weg! «, schrie Eugenides. »Geht weg! «
Die Kammerherren wichen einen Moment lang zurück, näherten sich dann aber wieder. Sie öffneten die Münder, um etwas zu sagen, aber die Stimme der Königin unterbrach sie von der Tür her: »Ich glaube, es ist offensichtlich, was Seine
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